03.11.2025
Alzheimer in frühem Stadium

TUM Klinikum startet Therapie mit neuem Wirkstoff „Donanemab“ – als eines der ersten in Europa

Erst seit 1. November in Deutschland verfügbar, bereits ab heute am TUM Klinikum im Einsatz: Bei der Therapie mit „Donanemab“ nimmt das TUM Klinikum Rechts der Isar erneut eine europaweit führende Rolle in der Behandlung von Menschen mit der Alzheimer-Demenz ein. Der erst im September in der EU neu zugelassene Wirkstoff mit Handelsnamen „Kisunla ®“ ist schon das zweite Medikament, das innerhalb kurzer Zeit bei frühen Alzheimer-Stadien neu am Klinikum angewendet wird. Wie das vor zwei Monaten erstmals eingesetzte „Lecanemab“ (Handelsname „Leqembi“) kann auch „Donanemab“ das Fortschreiten der Erkrankung bei 18 Monaten Behandlung um bis zu ein halbes Jahr (1) verzögern. Anders als „Lecanemab“ muss es dazu aber nur einmal monatlich angewendet werden – mit Aussicht auf ein Therapieende nach maximal eineinhalb Jahren.
Prof. Timo Grimmer und Dr. Ricarda Böhle prüfen die Infusion mit dem neuen Wirkstoff "Donanemab".
Als eines der ersten in Europa startet das TUM Klinikum Rechts der Isar Therapien mit der neuen Alzheimer-Arznei „Donanemab“: Auf dem Foto prüfen Prof. Dr. Timo Grimmer, Leiter der Ambulanz für Neurokognitive Erkrankungen, und seine Kollegin Dr. Ricarda Böhle die Infusion, über die der erste Patient am TUM Klinikum den neuen Wirkstoff erhält. © Andrea Eppner, TUM Klinikum

Prof. Dr. Timo Grimmer, Leiter der Ambulanz für Neurokognitive Erkrankungen am TUM Klinikum Rechts der Isar, sagt: „Ich freue mich sehr, dass nach Jahrzehnten ohne Fortschritte in der medikamentösen Therapie der Alzheimer-Krankheit nun bereits zwei verlaufsverzögernde Wirkstoffe für Patientinnen und Patienten mit früher Demenz zur Verfügung stehen.“ Was „Donanemab“ von „Lecanemab“ unterscheidet: Patientinnen und Patienten müssen nur noch einmal pro Monat für eine Infusion ins Klinikum kommen statt alle zwei Wochen. „Statt einer dauerhaften Therapie sehen die Zulassungsstudien zudem eine maximale Behandlungsdauer von 18 Monaten vor“, sagt Prof. Grimmer. Ein möglicher Vorteil für Betroffene, auf den auch die beiden Patienten hoffen dürfen, die heute erstmals am TUM Klinikum mit „Donanemab“ behandelt wurden. „Eventuell ist die Wirkung von ,Donanemab‘ minimal stärker“, sagt Prof. Grimmer. „Dafür kommt es möglicherweise etwas öfter zu Nebenwirkungen.“ Bei beiden Wirkstoffen zählen dazu Schwellungen und Mikroblutungen im Gehirn. Die Herausforderung werde daher künftig darin bestehen, die für den einzelnen Patienten und die einzelne Patientin individuell beste Wahl des Medikaments zu treffen.

Wirkstoff baut krankhafte Ablagerungen ab

Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Demenzerkrankung: Etwa zwei Drittel der rund 1,8 Millionen Betroffenen in Deutschland (2) leiden an dieser fortschreitenden neurodegenerativen Erkrankung, die nach wie vor nicht heilbar ist. „Donanemab“ und „Lecanemab“ sind aber die ersten Medikamente, die den geistigen Abbau verzögern können: Bei beiden Wirkstoffen handelt es sich um „monoklonale Antikörper“. Moleküle also, wie sie auch das menschliche Immunsystem einsetzt, um z.B. Bakterien und Viren erkennen und abbauen zu können. Statt gegen Krankheitserreger richten sich „Donanemab“ und „Lecanemab“ allerdings gegen sogenannte Beta-Amyloide. Das sind Eiweiße, die Verklumpungen im Gehirn von Menschen mit Alzheimer bilden können und dadurch Nervenzellen schädigen. 

„Diese Alzheimer-Plaques sind ein charakteristisches Phänomen der Erkrankung“, erklärt Prof. Grimmer. „Donanemab“ und „Lecanemab“ sollen diese Verklumpungen reduzieren. „Sie setzen in verschiedenen Stadien der Plaques-Bildung an.“ Beide können den Verlauf der Erkrankung um rund 30 Prozent verzögern – und damit auch den geistigen Abbau bremsen. 

Infusionsbeutel mit dem Alzheimer-Wirkstoff "Donanemab". © Andrea Eppner, TUM Klinikum
Infusionsbeutel mit der neuen Alzheimer-Arznei „Donanemab“. © Andrea Eppner, TUM Klinikum
Therapie erfordert viel Erfahrung

Schon heute wird am TUM Klinikum genau geprüft, für wen die Therapie infrage kommt. Zugelassen sind beide Wirkstoffe ausschließlich für Menschen in frühen Stadien der Alzheimer-Krankheit – eine Diagnose, die erst durch eine Nervenwasser-Untersuchung oder per Positronenemissionstomografie (PET) gesichert sein muss. Um Risiken zu minimieren, ist die Arznei zudem nur für Personen zugelassen, die nicht mehr als eine Kopie des ApoE4-Gens haben. Zusätzlich zu einem entsprechenden Gentest sind aus Sicherheitsgründen vor Beginn und im Verlauf der Behandlung regelmäßige Untersuchungen mit einem Magnetresonanztomografen (MRT) nötig. 

Der Einsatz der neuen Medikamente setzt also viel Erfahrung und die nötige Ausstattung voraus. Sie werden daher zunächst nur in wenigen großen Zentren verfügbar sein. „Hier am TUM Klinikum Rechts der Isar sind wir für diese Behandlungen optimal aufgestellt“, sagt Prof. Grimmer. Schon seit Jahrzehnten widme man sich hier der Diagnostik und Therapie dementieller Erkrankungen. „Wir bieten die vollständige Diagnostik, die Behandlung und alle nötigen Sicherheitsuntersuchungen unter einem Dach an.“ Und: „Natürlich werden wir auch die Forschung weiter vorantreiben, um Patientinnen und Patienten mit dementiellen Syndromen die bestmögliche Behandlung bieten zu können.“ Dafür sind die Voraussetzungen am TUM Klinikum ideal: Auf dem Gelände entsteht derzeit der Neubau des Zentrums für Multiple Sklerose und Neurowissenschaften, dessen Fertigstellung für 2026 erwartet wird. Neben der Multiplen Sklerose sollen hier auch neurodegenerative Erkrankungen wie die Alzheimer-Krankheit erforscht werden.

Quellen:

(1)    Sims JR et. al: JAMA, 2023 Aug 8;330(6):512-527. doi: 10.1001/jama.2023.13239. Epub 2022 Nov 29.
(2)    https://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/Alz/pdf/factsheets/infoblatt1_haeufigkeit_demenzerkrankungen_dalzg.pdf

 

Prof. Dr. Timo Grimmer leitet die Ambulanz für Neurokognitive Erkrankungen am TUM Klinikum Rechts der Isar. © Klaus Haag, TUM Klinikum
Prof. Dr. Timo Grimmer leitet die Ambulanz für Neurokognitive Erkrankungen am TUM Klinikum Rechts der Isar. © Klaus Haag, TUM Klinikum