„AstraZeneca ist der zweitwichtigste Impfstoff gegen Covid-19“
„AstraZeneca ist der zweitwichtigste Impfstoff gegen Covid-19“
Mehrere Länder haben die Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin gegen Covid-19 ausgesetzt. Nach einer entsprechenden Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts hat sich auch Deutschland dem vorübergehenden Impf-Stopp angeschlossen. Die Verunsicherung in der Bevölkerung ist groß. Privatdozent Dr. Christoph Spinner, Oberarzt für Infektiologie und Pandemiebeauftragter des Universitätsklinikums rechts der Isar, sagt: „AstraZeneca ist der zweitwichtigste Impfstoff gegen Covid-19.“ Er beantwortet die wichtigsten Fragen.
Privatdozent Dr. Christoph Spinner, Oberarzt für Infektiologie und Pandemiebeauftragter des Universitätsklinikums rechts der Isar
Ist das Aussetzen der Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff nachvollziehbar?
Auf der einen Seite geht die Sicherheit immer vor. Es ist richtig und wichtig, Berichte über mögliche Nebenwirkungen genau zu prüfen – so wie es das Paul-Ehrlich-Institut als zuständige Fachbehörde angekündigt hat. Das ist aus wissenschaftlicher Sicht gängige Praxis. Auf der anderen Seite wird der Imageschaden für die gesamte Impfkampagne allerdings nur noch schwer zu reparieren sein. Deshalb darf man die Entscheidung, alle AstraZeneca-Impfungen in Deutschland zu pausieren, zumindest hinterfragen.
Können Sie die Angst vor schweren Nebenwirkungen nachvollziehen?
Aus meiner Sicht ist das Wichtigste, jetzt nicht zu überreagieren! Das Risiko für eine tiefe Beinvenenthrombose liegt in der Allgemeinbevölkerung bei 0,1 Prozent pro Jahr, das bedeutet: Jeder Tausendste erkrankt daran. Die Sinusvenenthrombose, ein Verschluss der Gehirnvenen, ist noch um ein Vielfaches seltener. Es gibt pro Jahr etwa drei bis vier Fälle unter einer Million Menschen. Im Zusammenhang mit AstraZeneca erwähnt das Paul-Ehrlich-Institut sieben Fälle unter 1,6 Millionen Geimpften. Das entspricht einer Quote von 4,4 pro einer Million Menschen. Dieser Wert liegt also erst mal kaum oberhalb des Erwarteten. Außerdem wird jetzt geprüft, ob die Thrombosen überhaupt etwas mit der AstraZeneca-Impfung zu tun haben. Bislang besteht nur ein zeitlicher Zusammenhang.
Was raten Sie Menschen, die bereits mit AstraZeneca geimpft worden sind?
Sie sollten sich nicht verunsichern lassen, denn die beschriebenen Gefäßverschlüsse sind sehr selten. Als Vorsichtsmaßnahme empfiehlt es sich jetzt, noch ein bisschen sorgsamer auf die Reaktionen nach der Impfung zu achten. Wer länger als 24 Stunden danach noch schwere Kopfschmerzen hat, sollte zum Arzt gehen. Wenn die Impfung bereits zwei Wochen oder länger zurückliegt, besteht vermutlich kein Anlass zur Sorge, es gibt bislang keinen Hinweis beispielsweise auf Thrombosen als Spätfolgen der Impfung.
Ich sehe momentan auch keine Nachteile für diejenigen, die die erste Dosis erhalten haben und nun auf ihre Zweitimpfung warten. Diese kann auch in mehreren Wochen nachgeholt werden. Das ist kein Problem, sofern sich das Sicherheitsprofil des Impfstoffs bestätigt. Jede Impfung zählt – das hat sich auch bei anderen Vakzinen klar herauskristallisiert. Zu einem Wechsel des Impfstoffs oder einer Kombination verschiedener Präparate würde ich allerdings nicht raten, dazu fehlen derzeit wissenschaftliche Erkenntnisse.
Ihr Fazit zum AstraZeneca-Impfstoff?
Nach allem, was wir heute wissen, handelt es sich bei diesem Vakzin um einen sicheren Impfstoff, was übrigens auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA in einem aktuellen Statement bekräftigt hat. Seine Vorteile überwiegen und gerade bei den weiter steigenden Infektionszahlen kommt es auf jede Impfung an.