Covid-19: Drei Kontakte für eine breite Immunität
Covid-19: Drei Kontakte für eine breite Immunität
Das Immunsystem entwickelt nach insgesamt drei Kontakten zum Spike-Protein des Coronavirus eine qualitativ hochwertige Antikörper-Antwort. Die Antikörper können auch die Omikron-Variante effizient neutralisieren. Das gilt für Genesene nach zwei Impfungen und für zweifach Geimpfte nach Durchbruchsinfektion genauso wie für dreifach Geimpfte. Das zeigt eine Studie, in der die Immunität Geimpfter und Genesener über zwei Jahre hinweg verfolgt wurde.
Seit Beginn der COVID-19-Pandemie verändert sich das Coronavirus SARS-CoV-2 immer weiter. Neue besorgniserregende Varianten (variants of concern, VOC) breiten sich rasant aus. Omikron, das hochansteckend ist und sich der Immunantwort teilweise entziehen kann, ist in den meisten Ländern zur dominierenden Variante geworden.
Die Varianten Alpha und Delta werden leichter übertragen als das ursprüngliche SARS-CoV-2. Andere Varianten umgehen die Antwort des Immunsystems gegen das ursprüngliche Virus – zumindest zum Teil. Das gilt für Beta, Gamma und Delta. Auf die Omikron-Variante trifft beides zu. Omikron weist umfangreiche Mutationen im Spike-Protein auf, was seine außerordentlich schnelle Verbreitung und seine Immunflucht erklärt: eine Herausforderung für Ärztinnen und Ärzte, denn als Frage bleibt, wie es gelingt, Menschen bestmöglich gegen Infektionen mit dieser VOC zu schützen.
Nicht nur ausreichend, sondern qualitativ hochwertige Antikörper
Antworten hat ein Team um Prof. Ulrike Protzer, Leiterin des Instituts für Virologie der Technischen Universität München (TUM) und bei Helmholtz Munich, Percy A. Knolle, Professor für Molekulare Immunologie an der TUM, und Prof. Oliver T. Keppler (Max von Pettenkofer-Institut und Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München LMU) gefunden. Wie sie in der Fachzeitschrift "Nature Medicine" berichten, sind insgesamt drei Kontakte zum Spike-Protein als viralem Antigen notwendig, damit neutralisierende Antikörper nicht nur in ausreichender Menge, sondern auch in hoher Qualität gebildet werden. Solche qualitativ hochwertigen Antikörper binden das Virus stärker und können dadurch auch die Omikron Variante bekämpfen. Das gilt sowohl für dreifach Geimpfte als auch für Genesene nach zwei Impfungen und beziehungsweise zweifach Geimpfte nach einer Durchbruchsinfektion.
Studie am Universitätsklinikum rechts der Isar
Für die Studie wurden seit Beginn der Pandemie freiwillige Teilnehmende aus dem Kreis der Mitarbeitenden am Klinikum rechts der Isar der TUM rekrutiert und regelmäßig untersucht. Hierbei wurde eine Gruppe identifiziert, sie sich in der ersten Pandemie-Welle im Frühjahr 2020 mit SARS-CoV-2 infiziert hatte, und eine zweite Gruppe, die sich nicht infiziert hatte. Später wurden beiden Gruppen Impfungen mit dem mRNA-basierten COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer angeboten, und sie wurden knapp zwei Jahre lang nachverfolgt. Die Kohorte umfasste 98 Genesene, und 73 Personen ohne vorherige Infektion. Beide Gruppen waren hinsichtlich ihres Geschlechts, Alters, hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und hinsichtlich weiterer Risikofaktoren vergleichbar.
„Diese Längsschnitt-Untersuchung ist besonders spannend, weil man die gleichen Menschen über einen langen Zeitraum verfolgt und ihre T-Zell Immunität regelmäßig untersucht“, sagt Prof. Knolle, und weist auf eine dazu gerade in Nature Communications erschiene Studie des Teams hin. In der aktuellen Studie haben die Forschenden im Blut der Probandinnen und Probanden mehrere Parameter bestimmt: die Menge der Antikörper (IgG), die Stärke der Bindung zwischen Virus-Protein und Antikörper und die Fähigkeit von Antikörpern, SARS-CoV-2 Varianten in Zellkultur zu neutralisieren. Die beiden letzteren sind besonders wichtig, um das Ausmaß der schützenden Immunität abzuschätzen. Die Studie zeigte auf, dass die Fähigkeit des Immunsystems, das Virus zu neutralisieren, nur teilweise mit dem Antikörper-Titer korreliert. Vielmehr ist es entscheidend, wie effektiv diese Antikörper an das Virus binden und es so inaktivieren.
Unterschiedliche Konstellationen bieten Schutz
Wie aus seiner Struktur vorhergesagt zeigte Omikron im Vergleich zu anderen Varianten die am stärksten ausgeprägte Immunflucht gegenüber neutralisierenden Antikörpern. „Hier braucht man deutlich mehr und bessere Antikörper, um das Virus zu neutralisieren“, kommentiert Prof. Keppler. Das Forschungsteam hatten für die Untersuchungen einen neuen Test entwickelt, mit dem man in hohem Durchsatz viele Serumproben und verschiedene Varianten des Virus in einem Hochsicherheitslabor innerhalb weniger Tage untersuchen kann. Prof. Protzer ergänzt: „Eine neue Erkenntnis aus unserer Studie ist, dass Menschen dreimaligen Kontakt mit dem Spike-Protein benötigen, damit es nach jetzigem Wissensstand zu einer sehr guten neutralisierenden Aktivität gegen alle VOCs, inklusive Omikron, zu erzielen.“
Wie die Forschenden berichten, sind hier unterschiedliche Konstellationen möglich. Dreifach geimpfte Personen ohne vorige SARS-CoV-2-Infektion kamen fast auf gleiche Titer neutralisierender Antikörper gegen Omikron wie geimpfte Genesene oder Personen, die eine Durchbruchsinfektion mit dem Delta oder Omikron hatten. Prof. Keppler: „In allen Fällen erreichte die Neutralisationsaktivität in unserer Analyse ähnlich hohe Bereiche, und die Bindungsstärke der Antikörper hat sich in allen Konstellationen erhöht.“ Prof. Protzer und Prof. Knolle sind sich einig: „Die durch eine Impfung aufgebaute bzw. verstärkte Immunität ist der Schlüssel zu einem effektiven Schutz vor zukünftigen Varianten des Virus. Aber auch eine Durchbruchsinfektion, so ärgerlich sie ist, erreicht den Effekt einer zusätzlichen Impfung.“
Hinweis: Nature Medicine hat den Fachartikel in einem beschleunigten Verfahren veröffentlicht, um die Forschungsergebnisse schnell verfügbar zu machen. Vor der finalen Veröffentlichung sind noch Änderungen des Textes möglich. Diese Meldung bezieht sich auf die am 28. Januar 2022 veröffentlichte Version.
Prof. Ulrike Protzer, Leiterin des Instituts für Virologie der Technischen Universität München (TUM). Foto: Falk Heller, Klinikum rechts der Isar