Darm-Mikrobiom verhindert gefährliche Immunreaktion nach Stammzelltherapien

Darm-Mikrobiom verhindert gefährliche Immunreaktion nach Stammzelltherapien

Nach Stammzelltransplantationen kann es passieren, dass die gespendeten Immunzellen den Körper der Patient*innen angreifen. Forschende des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) und des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) haben herausgefunden, dass diese „Graft versus Host-Reaktion“ deutlich seltener auftritt, wenn im Darm bestimmte Mikroben vorhanden sind. In Zukunft könnte man diese schützende Zusammensetzung des Mikrobioms vielleicht gezielt herbeiführen.

Stammzelltransplantationen können bei Krebserkrankungen wie Leukämie Leben retten. Nach ungefähr der Hälfte aller Transplantationen kommt es aber zu Graft versus Host-Reaktionen. Diese verlaufen gewissermaßen umgekehrt zu Abstoßungsreaktionen nach Organspenden: Die gespendeten Zellen attackieren den Körper der Patient*innen, beispielsweise den Verdauungstrakt.

Seit einiger Zeit ist bekannt, dass die Mikroben im Darm eine Rolle dafür spielen, ob dies eintritt. Ein Team um Dr. Erik Thiele Orberg, Forschungsgruppenleiter an der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des Klinikums rechts der Isar der TUM, Ernst Holler, Senior-Professor für allogene Stammzelltransplantation am UKR, und Prof. Hendrik Poeck, Geschäftsführender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des UKR, schildert im Fachmagazin „Nature Cancer“, wie das Darm-Mikrobiom zusammengesetzt sein muss, um Schutz zu bieten.

78 Patient*innen begleitet

Die Forschenden untersuchten dafür Stuhlproben von 78 Patient*innen an den beiden Universitätsklinika und begleiteten diese in den zwei Jahren nach der Stammzelltransplantation. Daraus entwickelten sie einen Risikoindex, mit dem sich die Gefahr einer Abstoßungsreaktion angeben lässt. „Wir haben dabei nicht Bakterien gezählt, sondern gemessen, in welcher Menge bestimmte Metabolite vorhanden sind, Stoffwechselprodukte, die von den Mikroben gebildet werden“, sagt Erik Thiele Orberg.

Diese sogenannten IMMs, kurz für Immuno-modulatory Microbial Metabolites, beeinflussen das Immunsystem und die Regenerationsfähigkeit des Körpers. „Bemerkenswert ist, dass nicht nur Stoffwechselprodukte von Bakterien für eine positive Prognose wichtig sind", sagt Dr. Elisabeth Meedt, Ärztin am UKR und Co-Erstautorin. „Wir konnten zeigen, dass auch bestimmte Viren im Darm, die Bakteriophagen, hier eine Rolle spielen – allein das ist ein beeindruckender Einblick in die komplexe Welt unseres Darms.“

Bessere Prognose bei niedrigem Mikrobiom-Score

„Patient*innen mit einem niedrigen IMM-Risikoindex hatten eine größere Überlebenswahrscheinlichkeit, zeigten seltener Graft-versus-Host-Reaktionen und erlebten weniger Rückfälle“, sagt Hendrik Poeck. Die Metabolite werden vor allem von Bakterien der Familien Lachnospiraceae und Oscillospiraceae unter Mitwirkung der Bakteriophagen gebildet.

Heilungschancen aktiv steigern

Im nächsten Schritt wollen die Forschenden an der TUM und am UKR die Heilungschancen von Patient*innen nicht nur prognostizieren, sondern aktiv verbessern. „Mit Stuhltransplantaten, deren Zusammensetzung präzise kontrolliert wird, könnten spezifische Konsortien aus Bakterien und Bakteriophagen im Darm angesiedelt werden“, sagt Hendrik Poeck. „In den kommenden Jahren wollen wir herausfinden, ob wir Graft-versus-Host-Reaktionen und Rückfälle auf diese Weise verhindern können.“ Erste Versuche an Mäusen sind bereits erfolgreich verlaufen. Daher könnte das Verfahren auch in klinischen Studien mit menschlichen Patient:innen erprobt werden.

 

Publikation: E. Thiele Orberg, E. Meedt, A. Hiergeist, J. Xue, P. Heinrich, J. Ru, S. Ghimire, O. Miltiadous, S. Lindner, M. Tiefgraber, S. Göldel, T. Eismann, A. Schwarz, S.a Göttert, S. Jarosch, K. Steiger, C. Schulz, M. Gigl, J.C. Fischer, K.-P. Janssen, M. Quante, S. Heidegger, P. Herhaus, M. Verbeek, J. Ruland, M. RM van den Brink, D. Weber, M. Edinger, D. Wolff, D.H. Busch, K. Kleigrewe, W. Herr, F. Bassermann, A. Gessner, L. Deng, E. Holler, H. Poeck. „Bacteria and Bacteriophage Consortia are Associated with Protective Intestinal Metabolites in Patients Receiving Stem Cell Transplantation”. Nature Cancer (2024). DOI: 10.1038/s43018-023-00669-x

Dr. Erik Thiele Orberg, Forschungsgruppenleiter an der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM). Foto: Universitätsklinikum Regensburg, Franziska Holten

Dr. Erik Thiele Orberg, Forschungsgruppenleiter an der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM). Foto: Universitätsklinikum Regensburg, Franziska Holten

Weitere Informationen

  • Wichtige Beiträge zu der Studie lieferten die Virom-Expertin Li Deng, Professorin für die Prävention von Mikrobiellen Infektionskrankheiten an der TUM und Dr. Andreas Hiergeist und Prof. André Gessner vom Institut für Klinische Mikrobiologie und Hygiene am UKR.
  • Dr. Erik Thiele Orberg, Prof. Hendrik Poeck, Prof. Ernst Holler, Dr. Elisabeth Meedt und Prof. Li Deng sind Mitglieder im Sonderforschungsbereich 1371 „Microbiome Signatures“ unter Sprecherschaft der TUM. In diesem werden seit 2019 die Zusammenhänge zwischen dem Mikrobiom des menschlichen Verdauungstrakts und Erkrankungen wie Krebs und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen erforscht.
  • Prof. Hendrik Poeck und Prof. Ernst Holler sind Mitglieder im Sonderforschungsbereich TRR 221, der sich mit ungelösten Herausforderungen bei der Therapie von Leukämie-und Lymphompatienten beschäftigt.
  • Dr. Erik Thiele Orberg forscht am TranslaTUM, dem Zentralinsitut für Translationale Krebsforschung der TUM. Dort erforschen Mediziner*innen gemeinsam mit Wisenschaftler:innen aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Krebserkrankungen. Ihr Ziel ist dabei eine besonders schnelle Überführung der neuen Erkenntnisse in den Klinikalltag, die Translation.
  • Für das in dieser Meldung geschilderte Projekt wird Prof. Hendrik Poeck mit einem ERC Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrats sowie innerhalb des Exzelllenzförderprogramms der Deutschen Krebshilfe gefördert.
Beteiligte Fachbereiche und Kliniken: 

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III

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