Intensivmedizin: Organfunktionen auf Zeit ersetzen
„Moderne Intensivmedizin bedeutet, lebensnotwendige Körper- oder Organfunktionen für einen begrenzten Zeitraum zu ersetzen“, erklärt Dr. Spinner. Mit künstlicher Beatmung bei Lungenversagen z.B., oder mittels einer Blutwäsche (Dialyse). Auch Nierenversagen kann zu den Covid-19 Komplikationen gehören, genauso wie eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf SARS-CoV-2. Diese kann starke Entzündungsreaktionen hervorrufen und ist nur schwer in den Griff zu bekommen. „Ganz wichtig bleibt darum, dass der Körper und das Immunsystem wieder lernen, ihre Funktionen selbst zu übernehmen.“ Ob mit Spätfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion zu rechnen sei? „In der Mehrheit der Fälle scheint die Infektion folgenlos auszuheilen“, sagt Spinner. Die Patient*innen mit komplizierten Verläufen müssten nach ihrer Genesung engmaschig untersucht werden. Erst im Rückblick einiger Zeit könne man genau sagen, ob wirklich keine Folgeschäden zurückbleiben.
Medikamente: Hoffnung Remdesivir
Das Klinikum rechts der Isar ist beteiligt an internationalen Arzneimittelstudien gegen Covid-19, u.a. mit dem Medikament Remdesivir. Es ist ein direkt antiviral wirksames Mittel, das die Vermehrung des Virus hemmt. „Es ähnelt der RNA der Viren, deshalb baut der Erreger den Wirkstoff als ‚falschen Baustein’ ein und die Viren können sich nicht mehr vermehren“, erklärt Spinner. Ursprünglich für die Ebola-Behandlung geprüft, aber nicht dafür zugelassen, erwies sich Remdesivir in Labortests bereits als wirksam gegen SARS-CoV-2. Am Klinikum rechts der Isar wurden Patient*innen mit mittelschwerer bis schwerer Covid-19-Erkrankung nach ihrer Einwilligung im Rahmen der internationalen SIMPLE-Studie mit Remdesivir behandelt. „Die Erkrankungsdauer konnte um rund 30 Prozent von 15 auf elf Tage verkürzt werden. Die Verträglichkeit war gut“, sagt Spinner. „Wir konnten nachweisen, dass Remdesivir einen günstigen Einfluss auf den Krankheitsverlauf nimmt und vielleicht sogar mit einer geringeren Sterblichkeit assoziiert ist.“ Die Studie zeigte ergänzend, dass einen fünftägige Therapie mit Remdesivir so effektiv wie eine zehntägige Remdesivir-Therapie bei schwer kranken Covid-19 Patienten war. „Die Therapiedauer ist von hohem Interesse für die medizinische Versorgung. Einerseits werden Patient*innen nur so lange wie nötig behandelt und können gegebenenfalls früher aus dem Krankenhaus entlassen werden. Andererseits wäre das Medikament für mehr Menschen verfügbar, was bei voraussichtlich begrenzten Produktionskapazitäten von Vorteil ist. Eine kürzere Anwendung ist möglicherweise auch mit weniger Nebenwirkungen für die Patient*innen verbunden“, erklärt Spinner.
Die USA erteilte bereits Anfang Mai eine Ausnahmegenehmigung. Die Europäische Arzneimittelagentur hat ihre Empfehlungen für die Anwendung im Rahmen von Härtefallprogrammen auf moderate und schwere Covid-19 Verläufe erweitert.
Weitere Arzneimittelstudien mit APN01 und Selinexor
Es gibt einige hundert Arzneimittel, die derzeit im Kontext von Covid-19 untersucht werden. Auch am Klinikum rechts der Isar laufen zwei weitere Studien mit APN01 und Selinexor. Ergebnisse stehen noch aus. APN01 ahmt das humane Enzym ACE2 nach, das SARS-CoV-2 zum Eindringen in Zellen benötigt. Wenn das Virus an das Medikament bindet anstatt an das menschliche Enzym der Zellen, kann es die Zellen nicht mehr infizieren. Gleichzeitig reduziert APN01 Entzündungsreaktionen in der Lunge. „Vielversprechend ist auch Selinexor, weil es antiviral und anti-entzündlich wirkt.“ Christoph Spinner ist optimistisch: „ Ich bin beeindruckt, wie schnell die Forschung auf der ganzen Welt vorangeht. Ein um 30 Prozent verbesserter Krankheitsverlauf wie bei Remdesivir ist hoffentlich erst ein Anfang.“