Die Behandlung von Harnwegsinfekten ist geschlechtsspezifisch
Die Behandlung von Harnwegsinfekten ist geschlechtsspezifisch
Dr. Katharina Hauner und Dr. Michael Straub aus der Klinik und Poliklinik für Urologie des Universitätsklinikums rechts der Isar sprachen innerhalb der interdisziplinären Fortbildungsreihe „Antibiotika-Führerschein“ über Harnwegsinfektionen. Drei zentrale Fragen beantworten sie hier.
Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede in der Behandlung von Harnwegsinfekten?
Ein definitives „ja“. Da es sich gemäß der Richtlinie „Urological Infections“ der European Association of Urology beim Harnwegsinfekt des Mannes per se um einen komplizierten Harnwegsinfekt handelt, unterscheidet sich das Vorgehen zumindest bei der Behandlung von Infektionen der unteren Harnwege zwischen Mann und Frau deutlich. So wird bei einem Mann immer eine Harntraktdiagnostik gefordert, während bei einer Frau zunächst nur eine testgerechte, also bakterienspezifische antibiotische Therapie erfolgen sollte. Bei Diagnostik und Therapie des komplizierten Harnwegsinfektes sollten immer auch die möglicherweise betroffenen geschlechtsspezifischen Organe des Mannes mitberücksichtigt werden.
Knapp ein Viertel aller im Krankenhaus erworbener Infektionen betreffen die Harnwege. Wie lassen sich diese sogenannten nosokomialen Harnwegsinfekte (HAUTI) vermeiden?
Zur Vermeidung der HAUTI kommt eine Bündelstrategie zum Einsatz. Essenziell ist dabei die Identifikation von Risikopatienten, die Vermeidung von Operationen in infiziertem Gebiet, eine sorgfältige Indikationsstellung sowie die Vermeidung einer Langzeitkatheterableitung. Lokale Protokolle und die Kenntnis der lokalen Resistenzen durch ein lokales Infektmonitoring helfen beim sinnvollen und testgerechten Antibiotikaeinsatz. Ebenso wichtig sind die Produktstandardisierung innerhalb der Klinik und eine korrekte Anlage wie auch die Handhabung der unterschiedlichen Katheter. Dokumentierte regelmäßige Schulungen in richtiger Handhygiene und aseptischer, steriler Katheteranlage bzw. Handhabung spielen zusätzlich eine wesentliche Rolle.
Wie sieht die Behandlungsstrategie bei multiresistenten Erregern aus?
Bei Nachweis eines multiresistenten Erregers gilt es zwischen Infektion und Besiedelung zu unterscheiden. Eine Besiedelung erfordert in der Regel keine Behandlung bzw. Keimeliminierung des multiresistenten Erregers, es sei denn ein schleimhautverletzender Eingriff ist geplant. Anders sieht es bei einer klinisch symptomatischen Infektion aus. In diesem Fall muss unbedingt eine testgerechte antibiotische Therapie erfolgen. Außerdem sollte man daran denken, Harntraktkatheter im Sinne einer Dekontamination unter testgerechter antibiotischer Behandlung zu wechseln. Besteht bei septischen Patient*innen der Verdacht auf Vorliegen eines multiresistenten Erregers, sollte umgehend eine antibiotische Therapie mit einem Reserveantibiotikum begonnen werden. Das Absetzen des Reserveantibiotikums und der Wechsel auf ein Nicht-Reserveantibiotikum ist erst nach Erhalt der Resistenztestung sinnvoll. Nicht zu vergessen: Bei allen Risiko-Patient*innen sollte ein Aufnahmescreening erfolgen und auf strikte Einhaltung des Hygieneplanes geachtet werden.
Der Antibiotika-Führerschein ist eine interdisziplinäre Fortbildungsreihe, entwickelt von der Stabsstelle Antibiotic Stewardship (ABS) des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM). In zwölf „Fahrstunden“ von September 2020 bis Juli 2022 stellen renommierte Expert*innen neue Erkenntnisse aus Theorie und Praxis vor. Die Fortbildung richtet sich an Ärzt*innen, PJ-Studierende, Apotheker*innen, Pflegende und PTAs und hat das Ziel, das Wissen über die rationale Verordnung von Antiinfektiva zu fördern.
Weitere Informationen über die Fortbildungsreihe "Antibiotika-Führerschein"