Ein Jahr Corona-Pandemie am Universitätsklinikum rechts der Isar

Ein Jahr Corona-Pandemie am Universitätsklinikum rechts der Isar

Das Universitätsklinikum rechts der Isar hat im ersten Jahr der Pandemie mehr als 700 Covid-19-Patient*innen behandelt, davon gut 200 auf den Intensivstationen. Es gehörte zu den ersten Krankenhäusern deutschlandweit, das Corona-Kranke aufnahm – und auch damit begann, an Medikamenten gegen das Virus zu forschen. Die erste Patientin, die am 9. März 2020 aufgenommen wurde, stammt aus dem Kreis Freising bei München – sie sagt heute, ihr Leben habe sich seit der Infektion „gewaltig verändert“ (siehe Interview unten). Nach der ersten und zweiten Welle sind nun die Mutationen die neue Herausforderung: „Das Auftreten und der Import der besorgniserregenden Varianten ist nur eine Frage der Zeit“, erklärt Privat-Dozent Dr. Christoph Spinner, Infektiologe und Pandemiebeauftragter des Universitätsklinikums.

Auf einer Covid-Intensivstation am Klinikum rechts der Isar

Auf einer Covid-Intensivstation am Klinikum rechts der Isar

Viren mutieren – das ist deren Überlebensstrategie. Das gilt auch für das Coronavirus. Inzwischen gibt es besonders gefürchtete Varianten, etwa die aus Großbritannien. Doch was genau hat es mit den Mutationen auf sich? Die wichtigsten Fragen und Antworten von Prof. Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie, und Privat-Dozent Dr. Christoph Spinner, Infektiologe und Pandemiebeauftragter des Universitätsklinikums rechts der Isar.

Wie viele Mutationen des Coronavirus gibt es?

Prof. Ulrike Protzer: Das ist schwierig zu sagen, weil das Virus als RNA-Virus dazu neigt zu mutieren. Im Vergleich zu anderen RNA-Viren ist die Mutationsrate des SARS-CoV-2 aber eher gering. Das hängt damit zusammen, dass es Reparaturenzyme an Bord hat, die Mutationen wieder korrigieren.

PD Christoph Spinner: Nicht jede Veränderung hat auch automatisch eine bessere Übertragbarkeit zur Folge – oder zieht gar eine ausgeprägtere Symptomatik nach sich. Daher ist die absolute Anzahl weniger wichtig, als die konkreten Folgen der Mutationen auf die Funktionalität des Virus. Natürlich können auch Mutationen auftreten, die für die Übertragbarkeit des Virus nachteilig sind und daher auch keine bevorzugte Verbreitung finden.

 

Privatdozent Dr. Christoph Spinner, Infektiologe und Pandemiebeauftragter des Universitätsklinikums rechts der Isar und Prof. Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie

Privatdozent Dr. Christoph Spinner, Infektiologe und Pandemiebeauftragter des Universitätsklinikums rechts der Isar und Prof. Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie

Also ist nicht jede Mutation gleich ein Grund zur Sorge?

Prof. Ulrike Protzer: Mutationen machen uns nur Sorgen, wenn sie die Eigenschaften eines Virus verändern. Häufig reicht dazu eine einzelne Mutation nicht aus, es bedarf einer Kombination verschiedener Mutationen. Dabei kann dann eine neue Virusvariante entstehen. Wenn diese neue Variante dann auch neue Eigenschaften hat, die uns Sorgen bereitet, etwa weil sie ansteckender ist, dann bezeichnen wir sie als „Variant of Concern“, abgekürzt VoC. Bei der englischen oder der südafrikanischen Variante des SARS-CoV-2 handelt es sich um solche „Variants of Concern“.

Warum kann nicht jeder, der auf Corona getestet wird, einfach auf verschiedene Varianten mitgetestet werden?

Prof. Ulrike Protzer: Man kann nur dann auf eine Variante testen, wenn man das Coronavirus auch nachweisen kann. Das heißt: Es ist nur möglich, wenn ein PCR-Test positiv ausfällt. Und: Es macht nur dann Sinn, wenn erstens der Virustiter hoch genug ist, damit man ein sicheres Ergebnis bekommt – und dann auch sagen kann, um was für eine Virusvariante es sich handelt. Und zweitens: Wenn es ein neuer Virus-Nachweis ist. Jeden Infizierten mehrfach zu untersuchen, ist nicht zielführend. Man sollte sich auf ausgewählte Proben fokussieren, aber dafür möglichst flächendeckend und repräsentativ testen, damit man einen guten Überblick bekommt, ähnlich wie bei einer Wahlumfrage. Damit es schneller geht, haben wir inzwischen mutationsspezifische PCR-Tests etabliert.

PD Christoph Spinner: Bei der Sequenzierung muss das Erbgut von SARS-CoV-2 entschlüsselt werden, das ist technisch aufwändiger, dauert länger – und ist damit auch kostenintensiver. Danach müssen die Ergebnisse bewertet werden. Sofern sich keine direkte therapeutische Konsequenz im Individualfall ergibt, ist es verhältnismäßig, nur Stichproben zu untersuchen.

Wird die Gefahr durch Mutationen steigen?

PD Christoph Spinner: Das Auftreten und der Import der besorgniserregenden Varianten (VoC) ist nur eine Frage der Zeit. Insbesondere Mutationen, die mit einem hohen Risiko erhöhter Transmission einhergehen, sollten wir wirksam entgegentreten.

Prof. Ulrike Protzer: Wichtig ist doch, dass wir inzwischen gelernt haben, wie man die Infektionen unterdrückt, das heißt, wie man sich verhalten muss, um sich nicht anzustecken oder das Virus unbemerkt weiterzugeben. Konsequentes Tragen eines medizinischen Mund-Nasen-Schutzes oder einer FFP2-Maske, Meiden von Menschenansammlungen vor allem in geschlossenen Räumen – all das hält ja auch die Varianten ab. Und die Impfung wirkt auch.

 

Erste Corona-Patientin: "Ich war froh, in guten Händen zu sein"

Anita Hollweck war Anfang März 2020 die erste Covid-19-Patientin am Klinikum rechts der Isar. Sie ist 44 Jahre jung, trotzdem erkrankt sie schwer und hat bis heute mit den Folgen zu kämpfen.

Frau Hollweck, wie ging es los mit Ihrer Corona-Erkrankung?

Anita Hollweck: Am Faschingsdienstag habe ich noch gefeiert, zwei Tage später fühlte ich mich krank. Mein Hausarzt hielt es erst für eine leichte Grippe, dann für eine Lungenentzündung – bis das Gesundheitsamt anrief, weil ich als Kontaktperson gemeldet worden war. Zwei Tage später kam ich als Corona-positiv ins Krankenhaus Freising. Am nächsten Tag ging es weiter ins rechts der Isar. Zu dem Zeitpunkt war ich kaum noch ansprechbar.

 

Anita Hollweck war Anfang März 2020 die erste Covid-19-Patientin am Klinikum rechts der Isar

Anita Hollweck war Anfang März 2020 die erste Covid-19-Patientin am Klinikum rechts der Isar

Sie waren 15 Tage im Krankenhaus, welche Erinnerung haben Sie daran?

Anita Hollweck: Ich war froh, in guten Händen zu sein, ansonsten war ich einfach nur schwach und erschöpft. So sehr, dass ich einmal dachte, ich stehe das nicht durch. Anfangs hatten die Pfleger auch Angst vor mir – die Krankheit war ja für alle neu. Dr. Spinner habe ich zu verdanken, dass ich auf der Normalstation behandelt wurde. Er hat immer daran geglaubt, dass ich es schaffe. Ich bin allen sehr dankbar, die mich betreut haben.

Wie geht es Ihnen knapp ein Jahr später?

Anita Hollweck: Mein Leben hat sich gewaltig verändert. Zu Hause und in meinem Job als Servicekraft in einer Kantine bin ich deutlich weniger belastbar. Ich gerate schnell aus der Puste. Bis vor einer Woche bin ich jeden Tag fünf, sechs Kilometer spazieren gegangen. Momentan schaffe ich das nicht. Meine Lunge hat sich zwar erholt, aber ich habe Probleme am Herzen, mit der Blase, und meine Blutwerte sagen, dass ich einen Diabetes entwickle. Dazu hatte ich lange schweren Haarausfall. Strenge ich mich zu sehr an, schwindet die Stimme. Ich mache Physiotherapie, doch meine frühere körperliche Verfassung werde ich nicht mehr erreichen.

Wie kommen Sie mit Ihrem neuen Leben zurecht?

Anita Hollweck: Ich lebe von Tag zu Tag und habe meinen Frieden geschlossen. Früher war ich nicht zu bremsen. Heute sage ich mir, was nicht geht, geht eben nicht. Ich bin trotzdem ein fröhlicher Mensch und meine Familie unterstützt mich nach Kräften.

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