Einführung eines Kardiovaskulären Informations- und Kommunikationssystems (CVIS) am Klinikum rechts der Isar

Einführung eines Kardiovaskulären Informations- und Kommunikationssystems (CVIS) am Klinikum rechts der Isar

Ein Team aus Medizinern und IT-Spezialisten hat in der Kardiologie des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München ein Informationssystem eingeführt, das Medizingeräte herstellerneutral in die Klinik-IT einbindet. Damit ist der Grundstein für die weitere Digitalisierung des klinischen Alltags gelegt – zum Nutzen von Patient*innen und Forschung.

Dr. Hans-Ulrich Haase (r.) und Dr. Eimo Martens (l.) diskutieren einen Herz-Ultraschall-Befund mit allen Messwerten im neuen System (Foto: Klinikum rechts der Isar).

Medizingeräte liefern unentbehrliche klinische Daten. EKGs, Ultraschallgeräte, Herzschrittmacher kontrollieren, messen, bilden ab – doch weil sie meist von unterschiedlichen Herstellern stammen, spricht jedes eine eigene Sprache: Bei der Datenübertragung – nahezu jedes Gerät hat ein eigenes Schnittstellenprotokoll – wie auch bei der Benennung einzelner Parameter: Was bei dem einen EKG-Gerät kurz HF heißt, ist bei einem anderen der Puls, beim nächsten die Herzfrequenz.

Um patientenbezogene Informationen trotz solcher Unterschiede in einheitliche Formate zu bringen, hat das Klinikum rechts der Isar das Informationssystem MediConnect® eingeführt. Unter Leitung von Dr. Eimo Martens und Dr. Hans-Ulrich Haase von der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I (Leitung: Univ.-Prof. Karl-Ludwig Laugwitz) wurden damit in einem ersten Schritt die Medizingeräte der kardiologischen Fachabteilung in die klinikeigene IT-Landschaft eingegliedert. Mit über 1500 verfügbaren Schnittstellen ermöglicht die neue Software, dass Messwerte von Medizingeräten automatisiert übernommen und in eine Datenbank zu den anderen Patientendaten abgelegt werden können. „In engster Abstimmung mit vielen Bereichen im Haus – insbesondere der IT-Abteilung (Leitung: Dipl.-Kfm. Andreas Henkel) – ist es uns gelungen, dieses Leuchtturmprojekt umzusetzen“, so Oberarzt Dr. Eimo Martens,  der in der Kardiologie die Device-Therapie verantwortet. „Speziell die im Gesundheitswesen übliche HL7-Schnittstellenprogrammierung war extrem aufwändig. Doch binnen eines Jahres haben wir alle Medizingeräte der Kardiologie ins System integriert und schon jetzt mehr als 40.000 Untersuchungen durchgeführt. Ein Digitalisierungsprojekt dieses Umfangs haben nicht viele Kliniken.“

 

Schnellere Abläufe, bessere Behandlungsqualität

Die zentrale Verfügbarkeit aller Patienteninformationen vereinfacht gerade in einem großen Universitätsklinikum die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Übertragungsfehler, wie sie beim manuellen Übernehmen von Gerätedaten vorkommen können, werden vermieden und damit auch Doppeluntersuchungen. Ärzt*innen haben bei der Visite auf jedem Endgerät sämtliche Untersuchungsergebnisse im Blick – nicht nur den kompletten Befund, sondern auch die Rohdaten dahinter. „Abhängig von der Situation genügt manchmal der Befund eines EKG, manchmal müssen alle klinischen Daten samt Rohdaten zur Beurteilung genutzt werden“, sagt Martens. Für Patient*innen verbessern sich insgesamt die Genauigkeit der Untersuchungen und die Behandlungsqualität. Alle Abläufe werden schneller.
Gleiches gilt im ständig wachsenden telemedizinischen Bereich. Beispielsweise bei Patient*innen mit implantiertem Herzschrittmacher oder Defibrillator. „Wenn wir die Befunde, die uns das Gerät jede Nacht übermittelt, ins System übernehmen und bewerten, ist das, als säße der Patient neben uns. Jede Unregelmäßigkeit fällt sofort auf, bei Problemen können wir sofort intervenieren“, so Martens.

 

Wichtige Basis für den wissenschaftlichen Austausch

In der Klinikums-IT wurde der Grundstein dafür gelegt, die erfassten Daten nun nach internationalen Standards so aufbereitet und strukturiert abzulegen, dass sie sich – selbstverständlich unter Berücksichtigung des geltenden Datenschutzes – wissenschaftlich komfortabel auswerten lassen. Erste Teile der Daten sind in eine digitale Sprache übersetzt. Fachsprachlich heißt das semantische und syntaktische Interoperabilität. Gemeint ist damit ein digitales Format, das jede Medizin-Software lesen kann, die offene Schnittstellen unterstützt. Dies schließt auch die Betextung von Befunden ein, die mittels Drop-down-Menus so gestaltet ist, dass das System einen Befundtext generieren kann, der digital auswertbar und gleichzeitig für Hausärzt*innen und Patient*innen verständlich ist.

„Durch dieses IT-Projekt haben wir nicht nur ein, sondern überhaupt das Fundament für den barrierefreien Wissensaustausch im Rahmen größerer Forschungsprojekte in der Kardiologie geschaffen“, sagt Martens. Dies ermöglicht, Daten für die medizinische Forschung in großen Forschungskonsortien wie der Medizininformatik-Initiative DIFUTURE oder im Rahmen des Nationalen Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin (NUM) effizient bereitzustellen. Und natürlich können weitere Bausteine aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz oder Decision Support auf Grundlage dieses Fundaments ergänzt werden. Geplant ist hier, den Ärzt*innen anhand von Leitlinien automatisierte Unterstützungen anzubieten.

 

Ausweitung im gesamten Klinikum

Das Klinikum rechts der Isar verfolgt eine langfristige und nachhaltige IT-Strategie, die Interoperabilität als Grundlage voraussetzt. In diese Strategie gliedert sich das hier dargestellte Projekt der Kardiologie ein und wird im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes im Haus weiter vorangetrieben. „Wir haben mit der Kardiologie begonnen, weil hier bereits heute viele technische Anforderungen bestehen und die meisten relevanten Gerätetypen im Einsatz sind“, sagt Martens. Aktuell werden die Medizingeräte der Gefäßchirurgie und der Neurologie erfasst. Im Verlauf folgen weitere Fachabteilungen.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt zur Einführung eines Kardiovaskulären Informations- und Kommunikationssystems (CVIS) mit 1,9 Millionen Euro.

 

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