Krebsimmuntherapie: Mit dem Immunsystem den Krebs bekämpfen

Krebsimmuntherapie: Mit dem Immunsystem den Krebs bekämpfen

Am 4. Februar 2019 ist Weltkrebstag. Daher richten wir unseren Blick auf eine Therapieform, die in letzter Zeit besondere Erfolge zu verzeichnen hat: die Krebsimmuntherapie. Manche Experten sprechen von einem „Durchbruch“ in der Krebsmedizin. Wie wir die Krebsimmuntherapie am Klinikum rechts der Isar einsetzen, welche Risiken sie birgt und wie ihre Zukunft aussehen könnte.

Prof. Angela Krackhardt, Krebsspezialistin am Klinikum rechts der Isar

Oberärztin Prof. Angela Krackhardt leitet die Arbeitsgruppe Tumorimmunologie und translationale Immuntherapie im Klinikum rechts der Isar
Foto: M. Stobrawe

Personalisierte Krebsmedizin

Jeder Krebs ist so individuell wie der von der Tumorerkrankung betroffene Mensch - personalisierte Krebstherapien sind die Gegenwart und Zukunft der modernen Krebsmedizin. Prof. Angela Krackhardt ist Oberärztin in der onkologischen Tagesklinik und leitet die Arbeitsgruppe Tumorimmunologie und translationale Immuntherapie im Klinikum rechts der Isar. „Die Erfolge sind enorm, aber bei aller Euphorie müssen wir doch vorsichtig sein. Die Therapien eignen sich nicht für jeden Patienten, sie sind mitunter mit schweren Nebenwirkungen verbunden, und wir wissen noch gar nicht, wie die langfristigen Folgen aussehen“, gibt die 48-Jährige zu bedenken.

Einer ihrer Patienten ist Herbert Stermsek (81). Vor zwei Jahren erhielt der Münchner eine Diagnose, die bis vor kurzem oft einen frühen Tod bedeutete: schwarzer Hautkrebs. Nach sorgfältiger Abwägung riet Prof. Krackhardt 2018 zu einer Kombination aus Strahlentherapie und einer Krebsimmuntherapie mit einem sogenannten Immun-Checkpoint-Hemmer. Alle drei Wochen sitzt Herbert Stermsek in der onkologischen Ambulanz mit Blick auf die Ismaninger Straße, während per Infusion das Medikament in seinen Körper fließt. Schmerzen oder Nebenwirkungen spürt er dabei keine. Tatsächlich schrumpft mit der Zeit der Tumor. Die Immuntherapie schlägt an.

Video-Interview zur Krebsimmuntherapie

 

 

Checkpoint-Hemmung: Das Immunsystem in Fahrt bringen

Die Immun-Checkpoint-Hemmung ist eine von verschiedenen Krebsimmuntherapien. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass die Immunzellen des Körpers, die T-Zellen, den Tumor zwar erkennen, aber nicht angreifen können. Der Grund: Die Tumorzelle besetzt einen Schalter auf der T-Zelle und bremst sie dadurch aus. Der Immun-Checkpoint-Hemmer löst die Bremse und das Immunsystem kann den Krebs attackieren. Das Gute dabei: Es werden vor allem Tumorzellen, keine gesunden Zellen angegriffen. Das erklärt, warum die von der Chemotherapie gefürchteten Nebenwirkungen wie Haarausfall und Übelkeit ausbleiben. „Allerdings kann es auch bei der Immuntherapie zu unerwünschten Wirkungen kommen“, sagt Prof. Krackhardt. So können sich die Immunzellen gegen die Organe richten und zu Entzündungen etwa von Lunge, Leber und Nieren führen. Selten können auch langanhaltende Nebenwirkungen auftreten, wie beispielsweise ein Diabetes.

Designerzellen für die Krebsbekämpfung

Wenn Angela Krackhardt das Hauptgebäude des Klinikums verlässt und über die Straße in ihr Labor in der Trogerstraße wechselt, verwandelt sich die Ärztin in die Wissenschaftlerin. Ein weiterer Ansatz in der Krebsimmuntherapie, die zelluläre Therapie, ist einer ihrer Forschungsschwerpunkte. „Während die Checkpoint-Hemmer dem Immunsystem nur unter die Arme greifen, stattet die zelluläre Therapie das Immunsystem gleich mit einem ganz neuen Werkzeug aus“, erklärt sie. Dazu zählen etwa im Labor entworfene Designerzellen – T-Zellen, die genetisch verändert wurden, um spezifisch Krebszellen zu erkennen. Sie gelangen per Gentransfer in den Körper und werden aktiv, sobald sie auf eine Tumorzelle treffen. Da jeder Tumor einzigartig ist, muss auch jede Designerzelle einzigartig sein. Diese Therapien sind kostspielig und müssen erst noch in Studien erprobt werden. Angela Krackhardt und ihr Team planen gerade eine erste Studie mit Patienten. Bis zum Studienstart werden aber vermutlich noch einige Jahre vergehen.

Maßgeschneiderte therapeutische Krebsimpfung

Damit solche und weitere wegweisenden Studien umgesetzt werden können, ist nicht nur das Wissen der Spezialisten gefragt, sondern auch die Bereitschaft von Patienten, an einer Studie teilzunehmen. Herbert Stermsek brauchte nur kurze Bedenkzeit, um sich dafür zu entscheiden. Obwohl sein Tumor gut auf die Therapie anspricht und er sich gesund fühlt, nimmt er nun an einer neuen Studie teil. Sie beruht weder auf der Immun-Checkpoint-Hemmung noch der zellulären Immuntherapie, sondern auf einem weiteren Ansatz in der Immuntherapie: der therapeutischen Krebsimpfung. Dafür analysieren Forscher die Mutationen in seinen Tumorzellen und entwickeln einen Impfstoff, der genau auf seinen Tumor zugeschnitten ist. Die Impfung soll den T-Zellen seines Immunsystems helfen, die Tumorzellen zu erkennen und den Krebs zu zerstören.

 

Bei welchem Krebsarten die Krebsimmuntherapie eingesetzt wird

Ob für einen Krebspatienten tatsächlich eine Immuntherapie infrage kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Das hängt unter anderem vom Tumor, der Art der Erkrankung und dem Gesundheitszustand des Patienten ab. Für diese Krebsarten gibt es beispielsweise bereits in Deutschland zugelassene Krebsimmuntherapien:
Schwarzer Hautkrebs, Merkelzellkrebs, Lungenkrebs, Nierenzellkrebs, Blasenkrebs, Kopf-Hals-Tumoren, bestimmte Leukämien und Lymphome.

Formen der Krebsimmuntherapie

Immun-Checkpoint-Hemmer

Tumorzellen weisen typischerweise eine Anhäufung von Mutationen auf und produzieren daher besondere Eiweißmoleküle. Die Tumorzellen präsentieren die Abbauprodukte der Eiweißmoleküle auf der Oberfläche der Tumorzellen und signalisieren damit: Hier ist etwas fremd, das gehört hier nicht hin. Daraufhin rücken die Zellen des Immunsystems, die T-Zellen, aus und zerstören die Tumorzellen. Doch mitunter entkommen Tumorzellen durch einen Trick. Sie besetzen bestimmte Rezeptoren und Liganden (Checkpoints) auf den T-Zellen und bremsen dadurch die Aktivität der T-Zellen. Der Checkpoint-Inhibitor, ein Antikörper, bindet an den Rezeptor, blockiert seine Funktion und löst so die T-Zell-Bremse. Die T-Zellen können wieder gegen den Tumor aktiv werden. In Deutschland sind acht Checkpoint-Inhibitoren zugelassen (Stand Dezember 2018).

CAR-modifizierte T-Zellen

Bei den Chimären Antigen-Rezeptoren (CAR) handelt es sich um synthetische Moleküle, die individuell für einen Patienten im Labor hergestellt werden. Sie bestehen aus einem Konstrukt aus Antikörper und Anteilen der T-Zelle. CAR werden durch Gentransfer in die T-Zellen im Körper eingebaut und sollen so die T-Zellen aktivieren, den Tumor zu eliminieren. Bislang sind in Europa zwei CAR-T-Zell-Produkte zugelassen (für bestimmte Formen der Leukämie und des Lymphoms). Die Möglichkeiten für eine Therapie sind jedoch derzeit noch stark limitiert. 

Therapeutische Krebsimpfung

Diese Strategie zielt beispielsweise darauf ab, Patienten Bestandteile ihres Tumors zu injizieren, um das Immunsystem für einen Angriff auf den Tumor zu stimulieren. Diese Therapieform wird auch in Kombination mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren untersucht. Zulassungen gibt es allerdings noch keine.

 

Beteiligte Fachbereiche und Kliniken: 

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III

Back to top