Medizinstudierende befürworten mehrheitlich den ärztlich assistierten Suizid
Medizinstudierende befürworten mehrheitlich den ärztlich assistierten Suizid
Tamara Thurn, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Funktionsbereich Palliativmedizin am Universitätsklinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, untersucht in ihrer Doktorarbeit die Einstellung junger Mediziner*innen zum ärztlich assistierten Suizid – mit einem auch durchaus überraschenden Ergebnis: Medizinstudierende haben eine mehrheitlich befürwortende Haltung zu diesem kontrovers diskutierten Thema. Die wesentlichen Ergebnisse ihrer Befragung stellt sie im Rahmen des „Forums Klinische Ethik“ vor, eine Veranstaltungsreihe des Klinischen Ethikkomitees des Universitätsklinikums rechts der Isar. Hier beantwortet sie drei Fragen vorab.
Wie stehen Medizinstudierende zum assistierten Suizid?
Insgesamt zeigte sich in unserer Befragung eine mehrheitlich befürwortende Haltung. Die Frage, ob Ärzt*innen besonders geeignet zur Suizidhilfe seien, wurde von 71 Prozent zustimmend beantwortet. Gut zwei Drittel geben zudem an, dass sie sich vorstellen können, am ärztlich assistierten Suizid mitzuwirken, etwa durch das Verschreiben nötiger Medikamente. Die persönliche Haltung unserer Befragten war damit zustimmender als die von Ärzt*innen in Deutschland, die in vorausgegangenen Befragungen des Allensbach-Instituts die Fragen zum assistierten Suizid zu 58 bzw. 37 Prozent bejaht hatten.
Was war das überraschendste Ergebnis für Sie?
Am überraschendsten für mich war das große Interesse aller befragten Medizinstudierenden und der ausgeprägte Wunsch nach universitärer Lehre zum Thema ärztlich assistierter Suizid, unabhängig davon, ob sie dem assistierten Suizid eher kritisch oder eher aufgeschlossen gegenüberstanden. Sehr viele von ihnen betonten auch in Freitextkommentaren die Relevanz des Themas für sich persönlich und sprachen sich für eine entsprechend Ergänzung innerhalb der Lehre aus.
Wie wird sich die Meinung von Ärzt*innen bei diesem Thema weiterentwickeln – was ist Ihre Prognose aufgrund der vorliegenden Daten?
Es ist schwierig eine Prognose zur weiteren Entwicklung abzugeben, weil unsere Daten in einer sogenannten querschnittlichen Befragung einer Kohorte von Medizinstudierenden im zweiten klinischen Jahr gewonnen wurden. Grundsätzlich kann man jedoch sagen, dass Medizinstudierende eine insgesamt befürwortendere Einstellung zum ärztlich assistierten Suizid vertreten als Ärzt*innen deutschlandweit – diese Tendenz zeigt sich auch in anderen internationalen Studien. Man kann somit davon ausgehen, dass sich das Meinungsbild innerhalb der Ärzteschaft in den kommenden Jahren weiter diversifizieren wird. Die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Ärzt*innen eine geringe Bereitschaft zeigen, Suizidhilfe zu leisten, könnte damit in naher Zukunft nicht mehr zutreffen.