Mit Ohrsensoren gegen Covid-19

Mit Ohrsensoren gegen Covid-19

Kann permanentes Monitoring Erkrankte schützen und Kliniken entlasten?

Prof. Dr. Georg Schmidt vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM )

Ein Team des Klinikums rechts der Isar will mit Hightech-Sensoren rund um die Uhr Biowerte von Covid-19-Patientinnen und -Patienten in häuslicher Isolation messen. Ziel der Telecovid-Studie ist, herauszufinden, ob eine besonders zeitnahe Behandlung bei schlechter werdenden Werten Überlebenschancen verbessern und Intensivstationen entlasten kann. Ein schneller Start der Studie wurde durch Spenden ermöglicht.

Die Erkrankung nach einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 lässt sich grob in zwei Phasen einteilen. Während in der ersten Phase auftretende Symptome weniger ausgeprägt sind und Infizierte meist zuhause bleiben können, kommt es bei einem schweren Verlauf der Erkrankung in einer zweiten Phase zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands mit zum Teil schwerwiegenden Lungenentzündungen. „Hier kommt es darauf an, dass Patientinnen und Patienten rechtzeitig in Kliniken behandelt werden. Je früher sie medizinisch gut versorgt werden, desto besser ist die Prognose“, erläutert Prof. Georg Schmidt, Leiter der Arbeitsgruppe Biosignalverarbeitung am Klinikum rechts der Isar der TUM.

Jetzt wollen Schmidt und sein Team überprüfen, ob sich mittels eines Hightech-Sensors, der wie ein Hörgerät im Ohr getragen wird, eine Verschlechterung einer Covid-19-Erkrankung frühzeitig erkennen lässt. Damit verbindet sich auch die Hoffnung, durch eine frühzeitige Behandlung Intensivstationen zu entlasten, weil eine intensivmedizinische Behandlung inklusive maschineller Beatmung in einem Teil der Fälle gar nicht erst notwendig wird.

 

Ohrsensoren statt Smartwatches

Überwacht werden sollen neben der Körpertemperatur auch die Sauerstoffsättigung des Blutes, Atemfrequenz und Puls. Zudem wird mehrmals täglich ein sogenannter Polyscore bestimmt, der Auskunft darüber gibt, wie gut der Körper die Auswirkungen der Erkrankung kompensieren kann.
Bereits seit einiger Zeit kooperiert Schmidt mit dem Münchner Start-up cosinuss, das 2011 aus dem Thema einer Doktorarbeit an der TUM entstanden ist. Die Ohrsensoren des Unternehmens erfassen Biodaten unter anderem durch optische Verfahren. „Die Geräte messen alle Werte, die wir brauchen, und über eine Bluetooth-Funkverbindung an einen kleinen Computer schicken, der sie dann datenschutzkonform zur Auswertung an unsere Zentrale weiterleitet“, sagt Georg Schmidt. „Wir haben uns für Ohrsensoren und gegen Ansätze wie Smartwatches entschieden, weil im Ohr das gemessene Signal besonders stabil und dementsprechend aussagekräftig ist. Aus einer Studie die wir vor einigen Monaten zu einem anderen Thema gestartet haben, wissen wir außerdem, dass gerade ältere Menschen die Geräte komfortabel tragen können.“
 

Enge Abstimmung zwischen den Akteuren

Der Erfolg der aktuellen Studie hängt nicht zuletzt davon ab, dass verschiedene Stellen eng zusammenarbeiten. Die freiwilligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Münchner Covid-19-Erkrankte über 60 Jahren in heimischer Isolation, werden über das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) identifiziert und durch Zusendung eines Flyers über die Studie informiert. Unter Supervision eines Arztes überwacht ein Team von speziell trainierten Medizinstudierenden am Klinikum rechts der Isar in einer „Einsatzzentrale“ rund um die Uhr die gemessenen Daten und meldet die Patientinnen und Patienten bei Verschlechterung nach vordefinierten Regeln direkt an den Rettungsdienst, so dass die Betroffenen ohne Verzögerung ins Krankenhaus transportiert werden können.

„Ich hoffe, dass das Forschungsvorhaben eine zusätzliche Sicherheit für die Studienteilnehmer der älteren Generation bieten kann, die mit einer Covid-19 Erkrankung und mit leichten Symptomen zuhause bleiben und nicht im Krankenhaus behandelt werden müssen. Gerade bei allein lebenden älteren Menschen kann es ein entscheidender Vorteil sein, eine automatische permanente Überwachung zu gewährleisten“, begrüßt Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs die Studie.

„Wir sind sehr froh, dass wir das Gesundheitsamt, die Rettungsdienste und das Wissenschaftsministerium so schnell von dem Projekt überzeugen konnten“, sagt Georg Schmidt. Die Daten aus München sollen mit denen aus einer vergleichbaren deutschen Großstadt verglichen werden, in der ein solches Monitoring nicht zum Einsatz kommt. Die Pilotphase der Studie, in der Prozesse und Strukturen optimiert werden, läuft seit Mittwoch, 15. April. Ab Anfang nächster Woche werden voraussichtlich die ersten Sensoren ausgegeben.

 

Spendenbereitschaft bringt Studie schnell auf den Weg

Um in den aktuellen Krisenzeiten einen möglichst zeitnahen Start der Studie zu ermöglichen,
baute die TUM Universitätsstiftung auf die großzügige Unterstützung ihres Kreises an Mäzenen und Förderern. Binnen weniger Tage sind fast 500.000 Euro zusammengekommen. „Mit der unbürokratischen Förderung dieses gesundheitsrelevanten Forschungsprojektes zeigen sich die privaten Stifter und Spender als sozial verantwortete Vorbilder unserer Gesellschaft“, sagt Prof. Thomas F. Hofmann, Präsident der TUM und Vorstandsvorsitzender der TUM Universitätsstiftung. „Ihrem tatkräftigen Engagement für die Verbesserung der Überlebenschancen von Covid-19-Erkrankten gehört mein ganz besonderer Dank“.

Häufig gestellte Fragen für Erkrankte

Wer sind die potenziellen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer?

In der Studie werden Covid-19-Patientinnen und Patienten über 60 Jahre mit bestätigter Diagnose und Wohnsitz in der Stadt München begleitet, die zum Zeitpunkt des Einschlusses weder Intensivpflege noch mechanische Beatmung benötigen. Um aussagekräftige Daten zu gewinnen, müssen mindestens 1.200 Menschen an der Studie teilnehmen.

Ist es möglich, sich freiwillig für die Studie zu melden?

Ja. Voraussichtlich ab Anfang nächster Woche versendet das Referat für Gesundheit und Umwelt der Stadt München zusammen mit einer allgemeinen Information an alle für die Studie in Frage kommenden Personen einen Flyer mit den Kontaktdaten des Studienteams am Klinikum rechts der Isar. Interessierte können sich unter den angegebenen Daten am Klinikum rechts der Isar melden und auf freiwilliger Basis an der Studie teilnehmen. Andere Personen können an der Studie nicht teilnehmen.

Für Anfragen gibt es eine zentrale Telefonnummer: +49 89 4140 8585.

Weitere Infos finden Sie außerdem hier: https://www.telecovid.de

 

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