Neuer Roboter macht Eingriffe an Gehirngefäßen noch präziser und sicherer - einzigartig im deutschsprachigen Raum
Neuer Roboter macht Eingriffe an Gehirngefäßen noch präziser und sicherer - einzigartig im deutschsprachigen Raum
Am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) beginnt eine neue Ära: Erstmals im deutschsprachigen Raum wurde hier jüngst ein Roboter installiert, der noch präzisere und schonendere Eingriffe an Blutgefäßen des Gehirns ermöglicht. Schon in wenigen Wochen soll das Hightech-Gerät erstmals an Patient*innen mit einem Hirnaneurysma zum Einsatz kommen, also bei Patient*innen mit einem krankhaft erweiterten Gehirngefäß, das jederzeit zu einer lebensbedrohlichen Hirnblutung führen kann. „Das ist eine gänzlich neue Behandlungsrichtung bei dieser Art von Erkrankungen“, sagt Prof. Claus Zimmer, Direktor der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie. In Zukunft könnte der Roboter sogar eine telemedizinische Fern-Behandlung von Schlaganfall-Patient*innen auf dem Land möglich machen.
„CorPath GRX Neurovascular“ heißt der Roboter, der all das leisten soll. Hersteller ist die US-Firma Corindus Vascular Robotics, die zur Siemens Healthineers AG gehört. „Mit diesem Roboter starten wir in eine neue Ära in der Behandlung von Gefäßerkrankungen des Gehirns“, sagt Prof. Zimmer, der auch derzeitiger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) ist.
Zum Hintergrund: Schon länger setzen Mediziner*innen bei vielen Erkrankungen der Gehirngefäße auf schonende minimal-invasive Katheter-Eingriffe. „Dabei muss der Schädel nicht operativ geöffnet werden“, erklärt Prof. Zimmer den entscheidenden Vorteil. Um das erkrankte oder verletzte Blutgefäß im Gehirn zu erreichen und zu behandeln, führen Ärzt*innen einen biegsamen Katheter in ein Blutgefäß in der Leiste ein. Von dort schieben sie ihn - dem Lauf der Gefäße folgend - bis zur erkrankten Stelle im Gehirn vor. Röntgenstrahlung und Kontrastmittel machen Gefäße und Durchblutung dabei für sie sichtbar.
Das Hightech-Gerät sorgt für noch mehr Präzision bei Eingriffen an Gehirngefäßen
Was Arzt oder Ärztin bislang mit viel Feingefühl von Hand tun, wird schon bald der neue Roboter übernehmen. Dieser könne bei solchen Eingriffen künftig unterstützend zugeschaltet werden, erklärt Zimmer. „Der Roboter wird den Arzt also nicht ersetzen, sondern ihn vielmehr beim noch genaueren Arbeiten unterstützen.“ Die benötigten Hilfsmittel – der Katheter selbst, aber auch Drähte oder Stents, also Gefäßstützen, die für den Eingriff nötig sind – werden dann nicht mehr ausschließlich direkt durch die Hand von Ärzt*innen gelenkt, sondern indirekt über einen Joystick, den sie bedienen. Operateur oder Operateurin sitzen dabei wie in einer Art strahlengeschütztem Cockpit. Die schwere Bleischürze, die sie sonst zum Schutz vor der Röntgenstrahlung tragen müssen, ist darin also nicht nötig. Arzt oder Ärztin können sich daher noch besser auf den Eingriff konzentrieren. Per Touchscreen und mit mehreren Hebeln steuern sie die Bewegungen des Katheters. Sie orientieren sich dabei an den Live-Aufnahmen des Gefäßsystems der Patient*innen, die sie auf Bildschirmen im Cockpit sehen können.
Simulator-Training im strahlengeschützten Cockpit des neuen Roboters: PD Dr. Tobias Boeckh-Behrens, leitender Oberarzt in der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums rechts der Isar, bereitet sich auf den ersten Einsatz des Hightech-Geräts am Patienten vor. Die Bewegungen des Roboters steuert er via Joysticks - den Blick auf zwei Bildschirme gerichtet, die ihm einen Einblick in das Gefäßsystem des Patienten liefern. Foto: Thomas Einberger, Klinikum rechts der Isar
Der größte Vorteil des Roboters für Patient*innen: „Katheter, Drähte und Stents können damit äußerst exakt, im Submillimeterbereich, am richtigen Ort im Inneren eines Hirngefäßes platziert werden“, erklärt Privatdozent Dr. Tobias Boeckh-Behrens, Leiter der Arbeitsgruppe „Gefäßrobotik in der Neuroradiologie“. Das ist wichtig, denn gerade bei Eingriffen im Gehirn ist Präzision oberstes Gebot. Studien hätten zudem gezeigt, dass sich die Strahlendosis, der Patient*innen immer bei solchen Kathetereingriffen ausgesetzt sind, dadurch zumindest bei ähnlichen Robotereingriffen an den Herzgefäßen massiv reduzieren lassen. „Ob sich dies auch bei vergleichbaren Eingriffen an den Hirngefäßen bestätigt, müssen künftige Untersuchungen zeigen“, sagt Boeckh-Behrens.
Schon bald werden die ersten Patient*innen von diesen Vorteilen profitieren können. Die Ärzt*innen des Universitätsklinikums haben sich intensiv darauf vorbereitet, etwa durch das Training an Simulatoren und mithilfe von Flussmodellen. Zuerst will man sich auf Eingriffe bei Patient*innen beschränken, die an einem gefährlichen Hirnaneurysma leiden, also einem krankhaft erweiterten Gefäß im Gehirn, das reißen und zu einer Hirnblutung führen kann. Künftig sollen aber auch Patient*innen von dem Hightech-Gerät profitieren, die einen ischämischen Schlaganfall erlitten haben, bei denen also ein verschlossenes Gehirngefäß schnellstmöglich wiedereröffnet werden muss, um bleibende Schäden zu verhindern.
Roboter könnte in Zukunft eine Fernbehandlung von Schlaganfall-Patient*innen ermöglichen
Gerade dabei eröffnet die Roboterunterstützung ganz neue Chancen - und zwar für die Behandlung von Patient*innen auf dem Land: Bereits jetzt unterstützen Münchner Expert*innen ihre Kolleg*innen in mehreren Kliniken im Umland via Telemedizin bei der Diagnostik und Therapie, etwa der Kliniken in Weilheim und Schongau als Teil des Projekts Brückenschlag und der Kliniken in Tutzing und Bad Aibling: Ist ein kathetergestützter Eingriff nötig, um ein größeres Blutgerinnsel im Gehirn zu entfernen, fahren bislang erfahrene Expert*innen des Universitätsklinikums rechts der Isar zu den Patient*innen aufs Land, um vor Ort zu helfen. Das ist zeitsparender, als Kranke für den Eingriff nach München zu transportieren. Noch schneller könnte die Behandlung jedoch mithilfe des neuen Roboters erfolgen. Prof. Zimmer hält eine solche telemedizinische Fernbehandlung von Schlaganfall-Patient*innen für denkbar, schränkt aber ein: „Hierfür ist noch eine Menge Forschungsarbeit nötig. Solche Bemühungen sind aber ein weiterer Meilenstein zur optimierten Digitalisierung der Medizin und zur Verbesserung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum.“ Bereits jetzt ist die Weiterentwicklung der Robotik ein wesentlicher Schwerpunkt am Universitätsklinikum rechts der Isar und an der Technischen Universität München.
Lassen sich bei Eingriffen an Gehirngefäßen bald von einem Roboter assistieren: Die Oberärzte PD Dr. Christian Maegerlein, PD Dr. Tobias Boeckh-Behrens und Prof. Dr. Jan Kirschke mit Prof. Dr. Claus Zimmer, Leiter der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum rechts der Isar (von links nach rechts). Foto: Thomas Einberger, Klinikum rechts der Isar