In Bayern haben Krebspatient*innen ab sofort noch mehr Therapieoptionen: Im neuen Zentrum für Personalisierte Medizin (ZPM) für Onkologie am Universitätsklinikum rechts der Isar erhalten sie eine maßgeschneiderte Diagnostik und Therapie und können sich dabei auf höchste Qualitätsstandards verlassen. So wurde das ZPM für Onkologie des Universitätsklinikums kürzlich nach den strengen OnkoZert-Kriterien der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert – als erste Einrichtung dieser Art in Bayern und als Dritte deutschlandweit.
Das Universitätsklinikum rechts der Isar profitiert dabei von der großen Expertise von Prof. Lena Illert. Als führende Expertin auf dem Gebiet der translationalen personalisierten Onkologie hat Professor Illert schon das deutschlandweit erstzertifizierte ZPM für Onkologie in Freiburg mitaufgebaut. Jüngst ist sie nach München gewechselt, hat hier den Lehrstuhl für Personalisierte Onkologie an der Technischen Universität München (TUM) übernommen und leitet das neue ZPM für Onkologie am Universitätsklinikum rechts der Isar – gemeinsam mit dem Institut für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie der TUM und Dr. Sebastian Lange, ZPM-Koordinator und Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II. Dieses soll insbesondere Krebspatient*innen mit fortgeschrittener Erkrankung oder auch unerwartetem Verlauf neue Behandlungsoptionen abseits etablierter Therapiewege erschließen. „Wir sind die Brücke zwischen Forschung und Klinik – und das funktioniert nur im Team mit allen onkologischen Fachdisziplinen“, sagt Prof. Illert – der translationale, multidisziplinäre Ansatz steht hier also im Vordergrund.
Schwachstellen des Tumors aufspüren
Zentraler Bestandteil des ZPM für Onkologie ist ein „Molekulares Tumorboard“ (MTB). Dabei handelt es sich um ein Gremium, dem ärztliche Spezialist*innen aus mehr als 15 Fachdisziplinen sowie Grundlagenwissenschaftler*innen, Bioinformatiker*innen und Dokumentar*innen angehören. Federführend aufgebaut wurde es 2016 von den Expert*innen der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III (Hämatologie und Onkologie), der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II (Gastroenterologie) sowie des Instituts für Pathologie der TUM unter dem gemeinsamen Dach des Comprehensive Cancer Center München am Klinikum rechts der Isar (CCCMTUM). „Mit der Gründung des MTBs haben wir bereits vor einigen Jahren gemeinsam die Weichen für das ZPM für Onkologie gestellt“, erklärt Prof. Florian Bassermann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III. „Wir freuen uns sehr über diese Weiterentwicklung im Bereich der personalisierten Krebsmedizin“, sagt Prof. Hana Algül, Direktor des CCCMTUM. „Die erfolgreiche Zertifizierung ist eine Auszeichnung für diese langjährige Aufbauarbeit.“
Die Expert*innen des Molekularen Tumorboard beraten regelmäßig über die bestmögliche Diagnostik und Therapie einzelner Patient*innen – auch auf Grundlage molekularer Parameter und unabhängig von der Krebsart: Das Prinzip der personalisierten Medizin fußt auf der Idee, nicht alle Erkrankungen einer Gruppe gleich zu behandeln, sondern die Erkrankung und den Erkrankten genau zu charakterisieren – zum Beispiel durch Sequenzierung eines Tumors.
Dazu wird eine Art genetischer Fingerabdruck des Tumorgewebes erstellt und nach Bedarf durch Analysen zu weiteren biologischen Parametern ergänzt, etwa zum RNA- und Protein-Profil der Krebszellen. Das Ziel: patientenindividuelle Schwachstellen eines Tumors aufspüren. „Wir suchen dabei nicht nur nach Mutationen, also nach bestimmten genetischen Veränderungen, sondern nach jedem Angriffspunkt eines Tumors, der sich vor allem klinisch für den einzelnen Patienten sinnvoll nutzen lässt“, erklärt Prof. Illert. Kennt man diese Schwachstellen, kann man nämlich gezielt Wirkstoffe einsetzen, die genau dort ansetzen. Oft sind das Medikamente, die bislang nur für andere Krebsarten zugelassen sind oder auch ganz neue Wirkstoffe, die bislang erst in Studien getestet werden.
70 bis 80 Prozent der Patient*innen, die dem Molekularen Tumorboard vorgestellt werden, erhalten so eine translationale Therapieempfehlung und die gebündelte Expertise aller onkologisch tätigen Kliniken und Wissenschaftler*innen des Universitätsklinikums rechts der Isar – und damit in manchem Fall auch eine neue Chance, ihre Erkrankung länger und besser in Schach zu halten. Das neue Zertifikat stellt dabei sicher, dass bei Diagnostik und Therapie strenge Qualitätskriterien eingehalten werden. Denn eine erfolgreiche Zertifizierung erfordert eine umfangreiche Expertise und Erfahrung der Spezialist*innen vor Ort. Voraussetzung dafür sind zudem standardisierte und kontrollierte Abläufe, eine sehr gute personelle und technische Ausstattung, eine ausreichend hohe Zahl an Patient*innen, regelmäßige Tumorboards und ein guter Zugang der Patient*innen zu Studien.