Geringere Sterblichkeit von Schwerverletzten in Krankenhäusern mit hoher Fallzahl

Geringere Sterblichkeit von Schwerverletzten in Krankenhäusern mit hoher Fallzahl

Sterben weniger schwerverletzte Patienten nach einem Unfall, wenn sie in einem Krankenhaus versorgt werden, das sehr viele solche Patienten behandelt? Die Frage wird in Fachkreisen seit langem kontrovers diskutiert. Eine aktuelle Analyse des TraumaRegisters® der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) durch ein Team aus Unfallchirurgen des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, die im renommierten Fachmagazin "British Journal of Surgery" veröffentlicht wurde, konnte erstmals einen Zusammenhang zwischen der Patientenanzahl pro Jahr und der Sterblichkeit für deutsche Unfallkliniken nachweisen.

Das Autorenteam um Priv.-Doz. Dr. Stefan Huber-Wagner hatte sich zum Ziel gesetzt, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob die Anzahl an schwerverletzten Patienten, die pro Jahr an einer Unfallklinik behandelt werden, eine Auswirkung auf die Sterblichkeit hat.

In enger Kooperation mit Prof. Dr. Rolf Lefering vom Institut für Forschung in der operativen Medizin (IFOM), Universität Witten/Herdecke in Köln, und mit Unterstützung durch die berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau wurde hierzu das TraumaRegister® der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) ausgewertet.

39.289 schwerstverletzte (polytraumatisierte) Patienten aus insgesamt 587 Kliniken in Deutschland konnten in die Studie eingeschlossen werden. Von diesen 587 Krankenhäusern waren 98 überregionale Traumazentren (Level I), 235 regionale (Level II) und 254 lokale Traumazentren (Level III). Die Gesamtsterblichkeit der polytraumatisierten Patienten betrug 18,9 Prozent.

Für jedes Traumazentrum wurde zunächst die durchschnittliche Anzahl der behandelten polytraumatisierten Patienten pro Jahr ermittelt. Anschließend wurden sechs Untergruppen gebildet (1-19, 20-39, 40-59, 60-79, 80-99 oder mehr als 100 Schwerverletzte pro Jahr), die dann im Hinblick auf die tatsächliche und die erwartete Sterblichkeit analysiert wurden. Für die Berechnung der erwarteten, risikoadjustierten Sterblichkeit wurde ein äußert präzises Vorhersagemodel, der Revised Injury Severity Classification Score (RISC II), verwendet.

Innerhalb der Traumazentren mit einer hohen Anzahl an schwerstverletzten Patienten pro Jahr (mehr als 40 Patienten) war kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen der tatsächlichen und der erwarteten Mortalität zu verzeichnen. Innerhalb der Untergruppen mit wenig schwerstverletzten Patienten pro Jahr (1-19 und 20-39) war die tatsächliche Sterblichkeit höher als die erwartete. In Kliniken mit höheren Patientenfallzahlen (>40) beträgt die absolute Differenz zwischen der tatsächlichen und der erwarteten Sterblichkeit etwa ein Prozent. Somit haben schwerstverletzte Patienten dort eine günstigere Prognose im Vergleich zu Kliniken mit niedrigeren Fallzahlen mit weniger als 40 pro Jahr.

Fazit:
Die vorliegende Untersuchung konnte erstmals für Deutschland ein Effekt zwischen der Anzahl schwerverletzter Patienten, die pro Jahr an einer Unfallklinik behandelt werden, und der Sterblichkeit nachweisen. Es scheint, dass sich eine Patientenfallzahl von 40 und mehr Patienten pro Jahr und Unfallklinik günstig auf das Überleben nach Polytrauma auswirkt. Der Effekt ist jedoch geringer als vermutet.

"Ziel der gegenwärtigen Diskussion", führt Priv.-Doz. Dr. Stefan Huber-Wagner von der Klinik für Unfallchirurgie am Klinikum rechts der Isar aus, "ist es, die Behandlungsqualität an deutschen Traumazentren weiter zu verbessern. Hierzu können die gewonnenen Erkenntnisse in Zukunft bei der Strukturplanung von Unfallkliniken und der Patientenzuweisung durch Rettungsleitstellen einen Beitrag leisten."

Prof. Dr. Peter Biberthaler, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am Klinikum rechts der Isar, betont: "Die Ergebnisse belegen aber auch, dass die etablierte dezentrale Versorgungstruktur in Traumanetzwerken mit kleinen und großen Kliniken in Deutschland im internationalen Vergleich zu einer deutlichen Reduktion der Sterblichkeit, zumindest im Straßenverkehr führt¹. Kleinere Kliniken mit geringen Fallzahlen pro Jahr leisten somit einen wertvollen und wichtigen Versorgungsbeitrag. Sie schneiden mit einer Sterblichkeitsdifferenz von etwa einem Prozent nur geringfügig ungünstiger ab als Kliniken mit hohen Fallzahlen. Sie spielen jedoch eine wichtige Rolle, da beispielsweise aufgrund von großen Entfernungen oder bei schlechtem Wetter nicht jeder Schwerverletzte immer in eine Klinik der höchsten Versorgungsstufe transportiert werden kann."

¹In Deutschland kommen pro Jahr 47 Menschen pro 1 Mio. Einwohner durch Verkehrsunfälle ums Leben. Die USA hingegen verzeichnen 114 Tote pro 1 Mio. Einwohner. (WHO Stand 2010)

 

Artikel abrufbar unter: doi: 10.1002/bjs.9866
Zitierweise:
M. T. Zacher, K.-G. Kanz, M. Hanschen, S. Häberle, M. van Griensven, R. Lefering, V. Bühren, P. Biberthaler, S. Huber-Wagner and the TraumaRegister DGU®. Association between volume of severely injured patients and mortality in German trauma hospitals. British Journal of Surgery 2015, epub ahead of print

Kontakt:
Priv.-Doz. Dr. med. Stefan Huber-Wagner
Klinikum rechts der Isar
Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie
Ismaninger Str. 22
81675 München
Tel: +49-89-4140-2126
huber-wagneratmri.tum.de
www.unfallchirurgie.mri.tum.de

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