Werden aus Schreibabys Kinder mit ADHS?
Werden aus Schreibabys Kinder mit ADHS?
Studie belegt Zusammenhang zwischen frühkindlichen Problemen und späterem Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivität
Kinder, die bereits im Babyalter durch anhaltende Probleme mit Essen, Schlafen und Schreien, so genannte Regulationsprobleme, auffallen, leiden später mit höherer Wahrscheinlichkeit an Aufmerksamkeits- und Leistungsdefiziten oder Hyperaktivität. Das fanden Dr. Gabriele Schmid aus der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum rechts der Isar und Prof. Dieter Wolke von der Universität Warwick, Großbritannien, in einer Studie heraus, die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Early Human Development erschienen ist.
Bereits frühere Untersuchungen hatten Hinweise ergeben, dass kleine Kinder, bei denen Regulationsprobleme wie exzessives Schreien, Fütter- und Schlafschwierigkeiten auftreten, später an Aufmerksamkeitsdefiziten, Hyperaktivitätsproblemen und Einschränkungen in der kognitiven Leistung leiden. Die Wissenschaftler erforschten den Zusammenhang erstmals bis zum Schulalter und an einer großen Anzahl von Kindern. 1120 Neugeborene aus der Bayerischen Entwicklungsstudie (BEST), die innerhalb von zehn Tagen nach der Geburt aufgrund von Komplikationen in eine Kinderklinik aufgenommen worden waren, wurden über einen Zeitraum von achteinhalb Jahren mehrfach untersucht.
Bis zum Vorschulalter führten die Forscher zu drei festgelegten Zeitpunkten neurologische Untersuchungen bei den Kindern durch und befragten zusätzlich ihre Eltern mittels standardisierter Interviews. Mit fünf Lebensmonaten erfassten sie exzessives Schreien, Fütter- und Schlafprobleme, mit 20 und 56 Monaten Ess- und Schlafprobleme. Im Alter von achteinhalb Jahren wurde der IQ mit einem standardisierten Intelligenztest erhoben. Geschulte Psychologen und Ärzte erfassten Probleme mit der Aufmerksamkeit und Hyperaktivität bzw. eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) mittels Verhaltensbeobachtungen und durch das standardisierte Mannheimer Elterninterview.
Möglicherweise das Ergebnis verfälschende Faktoren wie neurologische Probleme, das Alter der Mutter bei Geburt oder psychische Probleme der Eltern wurden in allen Analysen kontrolliert.
Die Ergebnisse der Forscher: Rund die Hälfte der Kinder litt irgendwann einmal bis zum Vorschulalter unter einem Regulationsproblem; bei etwa sechs Prozent der Kinder hielten diese Probleme über alle drei Messzeitpunkte (5, 20 und 56 Lebensmonate) hinweg an. Bei diesen Kindern stellten die Forscher im Alter von achteinhalb Jahren einen niedrigeren IQ sowie Verhaltens- Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsprobleme fest. Bei Kindern mit anhaltenden Regulationsproblemen war das Risiko, im Schulalter die Diagnose ADHS zu erhalten, mehr als dreimal so hoch wie bei einer Kontrollgruppe.
Die Wissenschaftler schließen daraus, dass frühkindliche Regulationsprobleme der Beginn weiterer Entwicklungsprobleme sind. Dr. Gabriele Schmid, die Autorin der Studie, erklärt: „Weitere Studien müssen zeigen, ob eine frühe Behandlung der Probleme und der damit oft verbundenen Eltern-Kind-Beziehung, etwa in spezialisierten Babyambulanzen, das Risiko für Störungen im Schulalter verringern kann.“
Der Originalartikel ist unter 10.1016/j.earlhumdev.2014.05.001 zu finden.