50 Jahre Uniklinikum: Eine gewinnbringende Liaison

50 Jahre Uniklinikum: Eine gewinnbringende Liaison

Wer heute den weitläufigen Campus des Klinikums rechts der Isar betritt, sei es als Patient, als Student oder als Wissenschaftler, mag kaum glauben, dass das Universitätsklinikum vor fünfzig Jahren ein ganz normales städtisches Krankenhaus war. Dass aus der 1834 eröffneten Haidhauser Armen- und Krankenanstalt eine der jüngsten und innovativsten medizinischen Fakultäten Deutschlands wurde, ist unter anderem Georg Maurer zu danken. Der Chirurg und damalige Direktor des städtischen Krankenhauses verfolgte bereits früh das Ziel, aus dem Rechts der Isar ein Universitätsklinikum zu machen. So ließ er Ende der 1950er Jahre den noch heute bestehenden Hörsaal D bauen und legte damit quasi den Grundstein für die spätere Fakultät.

Nach vielen politischen Querelen wurde am 14. September 1967 die Medizinische Fakultät der damals noch Technischen Hochschule München gegründet. Der Bedarf war zwar da, da es viel zu wenige Ausbildungsplätze für Studierende gab. Aber ein städtisches Krankenhaus zur Fakultät einer technischen Universität zu machen, war ein einmaliger Vorgang und dementsprechend umstritten.

So stand der Newcomer von Anfang an vor großen Herausforderungen: Forschung und Lehre mussten zusätzlich zur Patientenversorgung aufgebaut werden; es galt, sich in ein neues Umfeld einzufügen und den skeptischen Mitfakultäten der heutigen Technischen Universität München (TUM) zu zeigen, dass man gemeinsam viel erreichen und wie man Synergieeffekte nutzen kann. Nicht zuletzt musste man seinen Platz neben der großen und traditionsreichen Schwesterfakultät der LudwigMaximilians-Universität finden und behaupten .

 

Ein unbeschriebenes Blatt

Bereits die erste Generation unter ihrem Chef Maurer nahm die Herausforderung an: Vor allem im Bereich der Krankenversorgung und der Lehre leisteten die jungen Ordinarien Außerordentliches. Sie legten damit den Grundstock für das stetig wachsende Ansehen „ihrer“ Fakultät. Eine gewisse praktische Begabung war übrigens durchaus von Vorteil: Professor Hans Blömer etwa, der das Herzkatheterlabor aufbaute, verhandelte nicht nur mit einem Glasbläser, der die entsprechenden Geräte herstellte, sondern er legte auch selbst tatkräftig Hand an: „Ich hatte immer einen Schraubenzieher im Arztkittel stecken“, erinnert sich der heute 93-Jährige an die Aufbaujahre. Hans Blömer zählt zu den Pionieren der Kardiologie und leistete während seiner Zeit am Klinikum rechts der Isar Herausragendes. Dennoch hatte die Medizinische Fakultät noch zu Beginn der 1980er Jahre trotz der hervorragenden Arbeit junger, engagierter und ehrgeiziger Wissenschaftler mit Vorurteilen zu kämpfen. Als „ein unbeschriebenes Blatt“ sei die Neugründung von außen wahrgenommen worden, sagt Professor Jörg Rüdiger Siewert, der 1982 als Nachfolger von Georg Maurer auf den Lehrstuhl für Chirurgie berufen wurde. 

 

Auf Erfolgskurs

Die Sache mit dem unbeschriebenen Blatt änderte sich bald, denn immer wieder setzten Fakultätsmitglieder Ausrufezeichen in der Fachwelt und in der breiten Öffentlichkeit. Dazu einige Beispiele:

  • Von 1976 an erzielten die plastischen Chirurgen aufsehenerregende Erfolge bei der mikrochirurgischen Replantation abgetrennter Finger. c Die 1980 an der Fakultät gegründete Ethik-Kommission gehörte zu den ersten ihrer Art. Heute ist die Forschung ohne eine solche Kontrollinstanz undenkbar.
  • Mitte der 1990er Jahre entwickelten die Gastroenterologen die Endoskopie entscheidend weiter: Sie waren die Ersten, die eine endoskopische radiologische Darstellung des Pankreas- und Gallengangs (ERCP) und die endoskopische Papillotomie (EPT) einführten. Das sind heute Standardbehandlungen zur Gewebeentfernung bei Steinen, Stenosen und Tumoren.
  • In den 1990er Jahren wurden am Klinikum erstmals Tumorkonferenzen etabliert, in denen Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen gemeinsam eine Therapie festlegen. Diese Tumorboards wurden sozusagen ein Exportschlager, es gibt sie mittlerweile an vielen Kliniken.
  • 2008 gelang einem vierzigköpfi gen interdisziplinären Team die erste bilaterale Armtransplantation weltweit. Ein Landwirt hatte einige Jahre zuvor bei einem Arbeitsunfall beide Arme verloren – nun bekam er die Arme eines Spenders erfolgreich transplantiert.
  • 2010 entdeckte ein Team der Frauenklinik das Hochrisiko-Gen RAD51C, das an der Entstehung von Brustkrebs beteiligt ist. Damit gibt es nun weltweit drei bekannte derartige Gene.

 

Internationale Spitzenforschung

Innerhalb von nur zwei Generationen hat sich die Medizinische Fakultät nicht nur fest in der TUM etabliert, sondern genießt heute weltweit einen hervorragenden Ruf in Forschung, Lehre und Krankenversorgung. Die vor fünfzig Jahren noch ungewöhnlich erscheinende Liaison der Humanmedizin mit einer Technischen Hochschule hat sich somit nicht nur bewährt, sondern ist der Motor, der nun die fakultätsübergreifende Spitzenforschung antreibt.

Dorothea Friedrich 

Zahlen und Fakten

Wie sich die Medizinische Fakultät und das Rechts der Isar in den vergangenen fünfzig Jahren entwickelt haben, zeigen einige Zahlen: Wie sich die Medizinische Fakultät und das Rechts der Isar in den vergangenen fünfzig Jahren entwickelt haben, zeigen einige Zahlen: 

 

1967: 1300 Vollkräfte

Aktuell: 4300 Vollkräfte

1967: 25.000 stationäre Fälle

Aktuell: 65.000 Fälle

1967: weniger als 1000 medizinische Geräte

Aktuell: mehr als 30.000 medizinische Geräte

1967/68: 65 wissenschaftliche Publikationen

Aktuell: ca. 1700 Veröffentlichungen

Über 40 Millionen Euro Forschungsmittel pro Jahr Fünf Sonderforschungsbereiche (SFBs und TransregioSFBs)

Beteiligung an allen nationalen Zentren für Gesundheitsforschung

23 ERC-Grants des Europäischen Forschungsrats

1967: 75 Studenten und acht Ordinariate

Aktuell: mehr als 1500 Studierende, 48 Lehrstühle und 35 Extraordinariate 

Back to top