Weltweit erste Transplantation kompletter Arme im Klinikum rechts der Isar der TU München

Weltweit erste Transplantation kompletter Arme im Klinikum rechts der Isar der TU München

Von 25. auf 26. Juli wurde am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München nach mehrjähriger Vorarbeit die weltweit erste Transplantation kompletter Arme durchgeführt. Dem Patienten geht es den Umständen entsprechend gut. Die Federführung für den Eingriff lag bei der Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie (Direktor Prof. Hans-Günther Machens). Die Operation, an der ein rund 40köpfiges Team beteiligt war, stand unter der Leitung von PD Dr. Christoph Höhnke (Leiter des Transplantationsteams, Oberarzt der Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie) und Prof. Edgar Biemer (langjähriger ehemaliger Vorstand der Abteilung für Plastische Chirurgie).

Die Vorgeschichte

Bei einem Arbeitsunfall waren dem 54jährigen Landwirt vor sechs Jahren beide Arme auf Höhe der Oberarme abgetrennt worden. Der Mann war somit in hohem Maße auf Hilfe angewiesen – ein Zustand, den er so schnell wie möglich wieder ändern wollte. Nachdem zwei Versuche mit verschiedenen künstlichen Prothesen erfolglos verlaufen waren, wurde sein Wunsch nach Armen aus lebendem Gewebe immer größer. Er wandte sich daher mit der Bitte um Hilfe an die Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie am Klinikum rechts der Isar. Damit kam er mit einem Ärzteteam in Kontakt, das über ideale Voraussetzungen für die weltweit vorher noch nie durchgeführte Operation verfügt: Neben einer jahrzehntelangen Tradition in Mikrochirurgie und Replantationschirurgie haben die Mitarbeiter des Klinikums auch langjährige Erfahrungen in der interdisziplinären Operationsvorbereitung und -planung – unabdingbar für einen so komplexen Eingriff. Zudem befindet sich am Klinikum rechts der Isar ein Zentrum für Leber-, Nieren- und Pankreastransplantationen, so dass auch großes Know-how im Bereich der Immunsuppression vorliegt. Mit PD Dr. Christoph Höhnke, der die Leitung des Transplantationsteams übernahm, und dem damaligen Leiter der Plastischen Chirurgie am Klinikum rechts der Isar, Prof. Edgar Biemer, traf er zudem auf zwei Ärzte, die sich sowohl klinisch als auch wissenschaftlich bereits seit Jahrzehnten intensiv mit Fragestellungen rund um die Transplantation bzw. Mikrochirurgie beschäftigten. Hinzu kommt, dass der jetzige Direktor der Klinik, Prof. Hans-Günther Machens, selbst jahrelang in der Transplantationschirurgie tätig war und bereit war, dieses Projekt seit seinem Amtsantritt im Dezember 2007 aktiv zu unterstützen und medizinisch verantwortlich zu leiten.

Die Ärzte der Klinik für Plastische Chirurgie mussten nun zunächst klären, ob der künftige Patient physisch und psychisch für den schwierigen Eingriff geeignet ist. Dafür wurde der Mann von Kopf bis Fuß durchgecheckt. Denn um insbesondere für die nach der Transplantation notwendige Unterdrückung der Immunabwehr gewappnet zu sein, musste er absolut gesund sein. Zudem versicherte man sich, dass er über eine stabile Persönlichkeit und ein stabiles soziales Umfeld verfügt. Den letzten Schritt der OP-Vorbereitung stellte eine explorative Operation am Oberarmstumpf dar, bei der die Ärzte überprüften, wo und wie sie bei der Transplantation die Nerven und Gefäße anschließen würden können. Dabei stellte sich heraus, dass die Hauptvene an der linken Schulter verschlossen war; hier würden also mehrere Bypässe gelegt werden müssen.

Nun hieß es nur noch, auf einen geeigneten Spender zu warten, der in Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Größe und in der Blutgruppe zum Empfänger passt und keine Verletzung der oberen Extremitäten aufweist.

Die Operation

Am Abend des 25. Juli gegen 22 Uhr war es so weit: Fünf Teams starteten zeitgleich in zwei OP-Sälen – je eine Gruppe auf der linken und rechten Seite von Spender und Empfänger und zusätzlich ein Team, das eine Beinvene am Spender entnahm. Zunächst mussten sie jeweils die Muskelenden, die Nerven und die Gefäße freilegen und für den Anschluss vorbereiten. Bevor die Knochen des Spenders durchtrennt wurden, wurden die Blutgefäße der Arme mit einer gekühlten Konservierungslösung gefüllt (Perfusion). Beide Arme wurden dann exakt so entnommen, dass sie genau der ursprünglichen Armlänge des Patienten entsprachen. Nun verbanden zwei Operationsteams die neuen Körperteile an beiden Seiten Schritt für Schritt mit dem Körper des Empfängers. Zuerst fügten sie die Knochen mit einer 8-Loch-Platte aneinander. Als Nächstes verbanden sie die Arterien und Venen, um möglichst schnell die Durchblutung der transplantierten Arme wiederherzustellen. Dafür waren auf der linken Seite bereits drei Venenbypässe vorgelegt worden. Vor der Komplettierung der Anastomosen wurden die Arme mit einer speziellen Flüssigkeit durchspült, um die Konservierungslösung zu entfernen. Dann erfolgte zeitversetzt in einem Abstand von 20 Minuten die Freigabe des Blutflusses; denn es musste von Seiten der Anästhesie sichergestellt werden, dass dem Patienten durch das aus den Transplantaten zurückfließende Blut kein akuter Schaden entstand. Die Arme nahmen schnell wieder ihre rosige Farbe an. Eine wesentliche Schwellung trat dabei nicht auf – ein Beleg für einen gut funktionierenden Blutfluss und eine kurze Ischämiezeit (fehlende Durchblutung des Gewebes). Danach nähten die Operateure Muskel- und Sehnenstümpfe zusammen und verbanden anschließend alle Nerven miteinander (nervus musculocutaneus, nervus radialis, nervus ulnaris und nervus medianus). Schließlich konnte auch die Haut aneinandergenäht werden. Zum Schluss wurde an beiden Armen ein gelenkübergreifender Fixateur externe angebracht, der mit pins an Unter- und Oberarm befestigt ist. Damit können die Arme zur Vermeidung von Druckstellen aufgehängt werden. Nach 15 Stunden war die Operation erfolgreich beendet.

Aktuelle Situation und weitere Versorgung

Nicht nur die Operation selbst, sondern auch die ersten Tage danach sind für den Patienten optimal verlaufen. Sein Zustand ist den Umständen entsprechend sehr gut. Es gilt nun, auch künftig Wundheilungsstörungen, Infektionen, starke Nebenwirkungen der Medikamente und vor allem Abstoßungsreaktionen (s.u.) zu verhindern. Dafür wurde eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen: Engmaschige Kontrollen, Antbiotikaprophylaxe, Drug Monitoring sowie Immunmonitoring. Um die Degeneration der Muskeln zu verhindern, werden diese regelmäßig unter anderem durch Physiotherapie stimuliert. Zudem erhält der Patient psychologische Betreuung.

Bisher wurden weltweit noch nicht viele Hände und Unterarme transplantiert. Die nun in München erfolgte Transplantation stellte eine noch größere Herausforderung dar: Sie umfasste zusätzlich das Ellbogengelenk sowie den Oberarm, so dass deutlich größere Regenerationsstrecken und eine immunologisch erheblich schwierigere Situation vorliegen.

Allogene Oberarmtransplantation: Eine immunologische Herausforderung

Im Gegensatz zur Transplantation solider Organe (Leber, Niere, Pankreas etc.) stellt eine Extremität histologisch ein heterogenes Gewebe bestehend aus verschiedenen Komponenten mit unterschiedlicher Immunogenität dar. Aus immunologischer Sicht richtet sich der Fokus auf

1) die Haut, welche Zellen mit hoher Immunogenität beinhaltet

2) das Knochenmark, welches im Rahmen einer Oberarmtransplantation mitübertragen wird

Die hoch immunogenen Zellen der Haut führen zu einer starken Immunreaktion beim Empfänger. Bei einer Oberarmtransplantation werden ca. 20% der gesamten Hautoberfläche des Körpers transplantiert. Dies erfordert zumindest zu Beginn eine starke immunsuppressive Therapie mit all den möglichen Nebenwirkungen (z.B. Infektionen). Darüber hinaus fehlt bei der Haut ein einfacher laborchemischer Parameter (wie z.B. das Kreatinin bei der Nierentransplantation), um eine immunologische Reaktion des Empfängers zu erkennen. Die Diagnostik von immunologischen Abwehrreaktionen beruht daher auf der klinischen Beurteilung der Haut, regelmäßigen Hautbiopsien und differenzierten immunologischen Tests. Dieses Monitoring ist somit erheblich aufwändiger als nach einer Transplantation solider Organe.

Die Röhrenknochen eines Oberarmes enthalten große Mengen von Knochenmark (im Gegensatz zu einer Handtransplantation, bei der praktisch kein Knochenmark übertragen wird). Das Knochenmark besteht aus immunkompetenten Zellen, die potentiell eine so genannte Transplantat-gegen-Wirt Reaktion (GvHD) auslösen können. Dies bedeutet, dass diese Zellen potentiell in der Lage sind, den Empfänger anzugreifen. Eine solche Attacke stellt eine lebensbedrohliche Situation für den Empfänger dar. Wie hoch das Risiko dabei nach einer Oberarmtransplantation ist, lässt sich nur schwer abschätzen, da sich gezeigt hat, dass präklinische Daten nicht direkt auf die humane Situation übertragbar sind. Auch hier sind differenzierte immunologische Untersuchungen notwendig, um das Auftreten einer solchen Reaktion rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Im Prinzip kombiniert eine Oberarmtransplantation die immunologischen Probleme einer Knochenmarktransplantation mit denen einer soliden Organtransplantation. Auf lange Sicht kommen dann noch die möglichen Nebenwirkungen der Immunsuppressiva hinzu. Aus Sicht des Transplantationsmediziners stellt eine Oberarmtransplantation somit eine interessante Herausforderung dar, die aber auch die Chance bietet, einen Beitrag zum Verständnis immunologischer Abläufe nach Transplantation zu leisten.

 

Pressekontakt:
Tanja Schmidhofer
Klinikum rechts der Isar
Ismaninger Str. 22 · D-81675 München
Fon 089 . 4140 20 46
Fax 089 . 4140 49 29
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