Digital in die Zukunft – Innovationsschub für das Klinikum rechts der Isar
Digital in die Zukunft – Innovationsschub für das Klinikum rechts der Isar
Ende 2020 trat das Gesetz für ein Zukunftsprogramm Krankenhäuser, kurz Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG), in Kraft. Auch das Klinikum rechts der Isar partizipiert am Investitionsprogramm.
Mit ihm soll eine qualitativ hochwertige und moderne Gesundheitsversorgung gefördert werden. Insgesamt 4,3 Mrd. Euro stehen Krankenhäusern hierfür zur Verfügung – insbesondere um die Digitalisierung voranzutreiben und die dazu nötige technische Ausstattung zu verbessern. In einer öffentlichen Online-Veranstaltung „Digital in die Zukunft“ am 23. Juni 2021 (Für Klinik- und TUM-Angehörige kostenfrei, Vorab-Anmeldung erforderlich!) präsentieren Expert*innen die IT- und Digitalisierungsstrategie des Klinikums rechts der Isar sowie innovative Lösungsansätze und erfolgreiche Praxisbeispiele. Im Vorab-Interview stellen Privatdozent Dr. Christoph Spinner, Chief Medical Information Officer (CMIO); Andreas G. Henkel, Leiter der IT-Abteilung und Chief Information Officer (CIO) am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) sowie Prof. Martin Boeker, Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie der TUM, Chancen für Patient*innen und Mitarbeitende vor.
Welchen Schub für das Klinikum rechts der Isar erwarten Sie durch das Krankenhauszukunftsgesetz?
Prof. Martin Boeker: Ich erwarte, dass das KHZG ermöglicht, ein Krankenhausinformationssystem (KIS) aufzubauen, in dem Anwendungen unterschiedlicher Hersteller miteinander kommunizieren. Durch die starke Standardisierung wie Anwendungen miteinander kommunizieren, wird es möglich, Anwendungen verschiedener Anbieter miteinander zu koppeln und damit spezifisch auf klinische Anforderungen einzugehen. Das ganze KIS wird dann weniger von einem Anbieter bestimmt sondern eher modular aufgebaut sein. Damit lässt es sich flexibel auf neue Anforderungen anpassen, die wir jetzt noch gar nicht kennen.
Wie profitieren Patient*innen davon?
PD Dr. Christoph Spinner: Durch das KHZG wurden die finanziellen Rahmenbedingungen geschaffen, dass unsere Patient*innen in Zukunft von moderner und digitaler Versorgung noch stärker profitieren. Neben einer Patienten-App, die unter anderem auch eine Videosprechstunde bietet, entsteht eine erheblich verbesserte und vor allem integrierte IT-Landschaft als Grundlage einer medizinischen Interoperabilitätsplattform (MIOP). Das bedeutet, weg von „Datensilos“ zu kommen, also IT-Systemen, die keine Daten zwischen einander austauschen können und hin zu einer echten Plattform.
Perspektivisch sollen der Aufnahmeprozess und die Anamnese schon zu Hause beginnen. Außerdem verbessern wir die Sicherheit der Patientenversorgung und die Kommunikation. So soll unter anderem eine komplett digitale Pflegedokumentation auf den Normalstationen, eine vollständig digitale Intensivstationsdokumentation, digitale Patientenaufklärungen sowie eine elektronische Arzneimittelverordnung mit Einzelverpackung der Medikation bereitgestellt werden. Dies führt zu weniger Fehlmedikation und zugleich einer durchgehenden Verfügbarkeit von Informationen, was wiederum die Versorgungsqualität insgesamt verbessert. Natürlich werden dabei alle Anforderungen des Gesetzgebers an die elektronische Patientenakte (ePA) berücksichtigt.
Andreas G. Henkel: Der Gesetzgeber hat Patient*innen ins Zentrum der Förderung des KHZG gestellt. Ausgehend von digitalen Self-Service-Prozessen der Terminanfrage, Vorbereitung der administrativen Aufnahme über die Möglichkeit zur digitalen Selbstauskunft über Anamnesedaten, Kommentierung der Aufklärungsunterlagen für das anstehende Arzt-Patienten-Gespräch bis zur Vorbereitung des Assessment für das Überleitungs- bzw. Entlassmanagement. Durch die gleichzeitige Etablierung einer digitalen Pflegedokumentation steht nicht nur eine Verbesserung der Pflegedokumentation zur Verfügung. Diese Datengrundlage hilft auch unmittelbar bei den Anordnungen für Heil- und Hilfsmitteln und der digitalen Anmeldung z.B. bei der Pflegenachsorge. Eingebettet in eine moderne Telematikinfrastruktur lassen sich elektronische Medikationspläne und Notfalldaten bei der Aufnahme einlesen und über eRezept, elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und Kommunikationsdienste in der Medizin (KIM) für den sicheren Versand von Befunden und Arztbriefen nutzen. Die MRI-TUM-App bzw. mobile Patientenakte des MRI schafft Strukturen, die viele weitere Optionen des direkten Datenaustauschs ermöglicht, die auch die Anbindung an die gesetzliche elektronische Patientenakte (ePA) unterstützt. Präsenztermine lassen sich damit auf das nötigste reduzieren.
Ergeben sich auch für Ärzt*innen, Pflegende oder Wissenschaftler*innen Vorteile durch die digitale Transformation?
Prof. Martin Boeker: Alle Beteiligten profitieren von der digitale Transformation. Für Ärzt*innen sowie Pflegende ergeben sich durch die bessere Verzahnung der digitalen Werkzeuge neue Möglichkeiten die bei der Versorgung der Patient*innen anfallenden Informationen zu nutzen. Es ist allerdings wichtig zu verstehen, dass es für eine erfolgreiche digitale Transformation mehr bedarf als nur den Einsatz neuer Technologien. Auch Prozesse und Organisationsstrukturen müssen angepasst werden. Wissenschaftler*innen erlaubt der digitale Wandel einen Zugriff auf mehr Datenquellen in besserer Qualität. Die schon erwähnten "Datensilos" werden durch die Standardisierung von Schnittstellen und Vernetzungsprojekte wie die Medizininformatik-Initiative oder das Netzwerk Universitätsmedizin abgebaut. Gleichzeitig lassen sich Forschungsergebnisse so auch leichter in die Patientenversorgung einbringen.
Dr. Christoph Spinner: Schon heute wurden durch Covid-19 viele neue digitale Unterstützungsangebote realisiert. Die Einführung des sicheren Klinikmessengers NetSfere, das vollständig digitale Mitarbeiterimpfzentrum, die Einführung des zentralen Terminplanungs-, und Ressourcenmanagements im neuen Frontend für das Klinische Arbeitsplatzsystem (KAS) Principa.health und vieles mehr. Unser Bestreben ist es, die Datenstruktur bei allen Vorhaben zu optimieren. Das führt ganz nebenbei zu einer verbesserten Möglichkeit zur wissenschaftlichen Nutzung der Daten. Die Routineversorgung arbeitet an dieser Stelle Hand in Hand mit der Medizininformatik-Initiative. Übrigens investieren wir gleichzeitig in die Verbesserung der IT-Sicherheit – sowohl durch moderne Software wie dem Identity Management System (IDM) als auch durch die Hardware-Erneuerung.
Andreas G. Henkel: Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Anwender*innen aus Versorgung und Forschung ist das Reduzieren von Informationsübertragungs- und -aufbereitungshemmnissen bei der Datenweiterverarbeitung. Im Zuge der digitalen Transformation sind an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine Algorithmen gefragt, die für eine hohe Strukturierung der Datenerfassung sorgen. So müssen Daten aus unterschiedlichen Quellen für Folgeanwendungen zur Verfügung stehen, ohne diese manuell übertragen zu müssen. Hochverfügbare und standardisierte Daten etwa aus der Regelversorgung sind wichtig für Unterstützungssysteme für klinische Entscheidungen und für die Forschung einfacher verwendbar.
Wo sehen Sie das Klinikum rechts der Isar 2025 digital aufgestellt?
Andreas G. Henkel: Bis 2025 werden besonders die Patienten und das Pflegepersonal eine deutlich veränderte digitale Unterstützung für viele Basisthemen vorfinden. Auch wenn man bei der Digitalisierung immer eine Schnelllebigkeit erwartet, ist zu beachten, dass dies bei komplexen Themen wie in der Medizin deutlich langwieriger ist. Zudem sieht das KHZG Sanktionen für Kliniken vor, die bis 2025 förderfähige digitale Dienste nicht eingeführt haben. Die Umsetzung wird ein enormer Kraftakt und die digitale Transformation auch im Klinikum rechts der Isar in vielen Bereichen spürbar sein.
Prof. Martin Boeker: Das Klinikum rechts der Isar ist an langfristigen, übergreifenden Projekten zur besseren Nutzung von Daten aus der Versorgung beteiligt und kann damit auf nationalen Ergebnissen aufbauen. Auch die starke Verankerung von Bildverarbeitung und Künstlicher Intelligenz ist eine unserer Stärken. In den kommenden Jahren wird sich hier erweisen, wie sich diese Projekte in der Versorgung für Patient*innen nutzen lassen und wie sie im klinischen Alltag gewinnbringend eingesetzt werden können.
Dr. Christoph Spinner: Vier Jahre sind in der Digitalisierung eine lange Zeit. Wir hoffen, bis dahin die Basis für die Zukunft zu legen. Die MIOP soll hierbei ein Fundament für alle zukünftigen Entwicklungen sein. Gemeinsam mit der Technischen Universität München wollen wir die vorhandenen Kapazitäten nutzen, um zu den Vorreitern der Digitalisierung in Deutschland zu gehören. Nicht der Digitalisierung willen, sondern um die Patientenversorgung zu verbessern! Nicht die Digitalisierung sondern unsere Patient*Innen stehen im Mittelpunkt.
Veranstaltung "Digital in die Zukunft: Chancen fürs Universitätsklinikum rechts der Isar durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG)"
Drei der Referenten zum Thema "Digital in die Zukunft"