Studie zur wissenschaftlichen Karriere von Frauen in der Medizin
Studie zur wissenschaftlichen Karriere von Frauen in der Medizin
Oder: Warum gibt es so wenig Medizinprofessorinnen?
„Die wissenschaftliche Karriere in der Medizin – gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede?“ lautete der Titel einer Studie, die die Frauenbeauftragte der Medizinischen Fakultät der TU München am Klinikum rechts der Isar durchführte. Ein Ergebnis der Befragung war, dass die Unterschiede nicht nur zwischen Männern und Frauen liegen, sondern besonders auch zwischen Frauen mit wissenschaftlichen Karriereambitionen und ohne. Der Anteil an Ärztinnen, die gar nicht erst eine wissenschaftliche Laufbahn, also eine Habilitation oder gar eine Professur anstreben, ist mit 50 Prozent signifikant höher als bei ihren männlichen Kollegen.
Konkretes Ziel der Befragung war, mögliche Ursachen für den geringen Frauenanteil auf höheren wissenschaftlichen Karrierestufen in der Medizin aufzudecken: Während an der Medizinischen Fakultät der TU München über 60 Prozent der Studierenden und die Hälfte der Promovierenden weiblich sind, werden nur rund 20 Prozent der Habilitationen von Frauen verfasst und 17 Prozent Medizin¬professorinnen stehen 83 Prozent Professoren gegenüber.
Im Rahmen der Studie wurden Fragebögen an alle 689 ärztlichen Mitarbeiter im Klinikum rechts der Isar versandt. Zu beantworten waren Fragen zu Partnerschaft, Kindern, Studium sowie zu ärztlicher und wissenschaftlicher Tätigkeit. Zudem wurde nach Arbeitszufriedenheit, der Einstellung zu Karriere, den persönlichen Berufskompetenzen, den Forschungsbedingungen und der Forschungskompetenz gefragt. Die Rücklaufquote lag bei fast 50 Prozent; 181 Ärzte und 157 Ärztinnen schickten die Fragebögen zurück, repräsentativ über die einzelnen Karrierestufen verteilt.
Etwa die Hälfte der Ärztinnen, die an der Studie teilnahmen, gab an, keine wissenschaftlichen Karriereambitionen zu haben, während es bei den Ärzten nur 20 Prozent waren. Festgemacht wurde der fehlende Karriereanspruch an der Aussage „ich plane keine Habilitation“. Die Ärztinnen ohne wissenschaftliche Karriereziele erklärten, den größten Teil ihrer Arbeitszeit in der Patientenversorgung zu verbringen. Sie fühlen sich durch die Familie mehr in Anspruch genommen, als dies bei den Frauen mit Karriereanspruch der Fall ist, obwohl es hinsichtlich Berufstätigkeit des Ehepartners, Zahl und Alter der Kinder sowie der Zeit, die sie täglich mit Kindern und Haushalt verbringen, keine objektiven Unterschiede gibt. Die so genannte Work-Life-Balance hat für die Ärztinnen, die sich nicht wissenschaftlich verwirklichen wollen, einen höheren Stellenwert als für die Kolleginnen auf dem Karrierepfad.
Der Vergleich von Ärztinnen und Ärzten mit Karriereanspruch ergab, dass die Frauen insgesamt unzufriedener mit Einkommen, Prestige und Aufstiegschancen sind - trotz vergleichbarer Forschungsleistungen und beruflicher Kompetenzen. Unterschiede waren erkennbar in der Einordnung der eigenen Forschungsleistung, die die Frauen als weniger gut einschätzten, sowie in einem von deutlich mehr Ärztinnen als Ärzten beklagten Mangel an Zeit für die Forschung.
Für die Geschlechtsunterschiede bei der wissenschaftlichen Karriere nannten die befragten Ärztinnen und Ärzte insgesamt sechs Hauptursachen. Der Großteil ist der Meinung, dass es schwierig für Frauen ist, in das Männernetzwerk einzudringen, dass Frauen für die gleiche Anerkennung mehr leisten müssen als Männer und dass die Selbstdarstellung der Frauen schlechter ist Als weitere Gründen werden ein geringeres Interesse von Frauen an Spitzenpositionen, eine höhere Bewertung einer ausgeglichenen Work-Life-Balance und die Kinderbetreuung als Karrierehindernis genannt.
Die Frauenbeauftragte der Fakultät für Medizin der TU, Privatdozentin Dr. Janine Diehl-Schmidt, erklärt: „Wir sehen zwei große Trends, die eine gezielte Förderung einer wissenschaftlichen Karriere von Frauen in der Medizin erforderlich machen: Zum einen erwarten wir auf mittlere Sicht einen generellen Ärztemangel und zum zweiten sind immer mehr Medizinstudierende weiblich. Dazu kommt eine langsam einsetzende Veränderung des Geschlechtsrollenverständnisses der Männer, denen eine ausgeglichene Work-Life-Balance zunehmend wichtiger wird. Somit können und wollen auch sie nicht mehr rund um die Uhr in Klinik und Forschung zur Verfügung stehen.“
Aus den Ergebnissen der Befragung lassen sich drei Strategien ableiten, die geeignet sein könnten, den Frauenanteil in höheren wissenschaftlichen Karrierestufen in der Medizin anzuheben:
1) Ärztinnen mit und ohne Karriereambitionen sollten frühzeitig identifiziert werden, um sie spezifisch ihren Interessen und Einstellungen entsprechend zu fördern. Medizinerinnen, die keine wissenschaftliche Karriere planen, profitieren von Unterstützung in ihrer klinischen Arbeit. Möglicherweise könnte man diese Frauen sogar gänzlich von der an Universitätskliniken üblicherweise geforderten Forschung entbinden. Ärztinnen mit Karriereambitionen hingegen sollten zugunsten der wissenschaftlichen Arbeit mehr von den klinischen Aufgaben freigestellt werden. Gezielte Förderung, z.B. in Form von Stipendien, könnte darüber hinaus dazu beitragen, dass Ärztinnen sich intensiver der Forschung widmen können.
2) Ärztinnen brauchen längerfristige Perspektiven. Das bedeutet etwa, dass sie, besonders kurz vor der Familiengründung, langfristige Verträge benötigen, die ihnen die Sicherheit geben, dass sie nach der Elternzeit wieder zurückkehren können.
3) Unabdingbare Voraussetzung für eine Vereinbarkeit von Familie und (nicht nur) wissenschaftlicher Karriere ist ein familienfreundlicher Arbeitsplatz. Teilzeitmodelle und flexible Arbeitszeiten wären hier wünschenswert. Das Angebot an guter, zuverlässiger und flexibler Kinderbetreuung muss ausgebaut werden. Die Studie hat großen Bedarf an Plätzen in Krippe, Kindergarten, Hort und Ferienbetreuung ergeben.
Ansprechpartnerin:
PD Dr. Janine Diehl-Schmid
Frauenbeauftragte der Fakultät für Medizin der TUM
Tel. 089 4140-4275
Email: Janine.schmidlrz.tu-muenchen.de