Fußball-Europameisterschaft: Prof. Martin Halle über seinen Einsatz als „Chief Medical Officer“
Fußball-Europameisterschaft: Prof. Martin Halle über seinen Einsatz als „Chief Medical Officer“
Ein Jahr lang hat die Corona-Pandemie die Fußball-Europameisterschaft ausgebremst. An diesem Freitag (11. Juni) geht es endlich los mit dem Anpfiff zum ersten Spiel in Rom. Einen Monat lang wird der Ball dann in elf Ländern rollen – ab 15. Juni auch vier Mal (siehe unten) in der Allianz Arena in München-Fröttmaning. Dass dabei auch medizinisch alles rund läuft, stellt das Team der Präventiven Sportmedizin und Sportkardiologie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München sicher – ein Gespräch mit Prof. Martin Halle, Direktor der Ambulanz und „Chief Medical Officer“ der UEFA Euro 2020 für den Standort München.
Herr Professor Halle, was genau machen Sie als „Chief Medical Officer“ bei der Fußball-Europameisterschaft?
Der Chief Medical Officer, kurz CMO, ist der medizinische Vertreter der UEFA. Als CMO bin ich bei der Fußball-EM für die UEFA-Familie, die VIPs, Spieler und Betreuer verantwortlich, also für alle Personen bis auf die Zuschauer – um die kümmern sich das Rote Kreuz und die Feuerwehr. Das heißt also: Ich koordiniere alle medizinischen Fragen.
Eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Warum fiel die Wahl auf das Universitätsklinikum rechts der Isar auf Ihr Institut?
Natürlich spielt hier auch unsere Vorerfahrung von der Fußballweltmeisterschaft 2006 eine wichtige Rolle – auch damals war ich CMO. Vor allem ist es aber so, dass wir das größte sportmedizinische Zentrum in Deutschland sind. Bei Spielen in München sind wir damit natürlich der direkte Ansprechpartner für sportmedizinische Fragen. Auch bezüglich der allgemeinen Versorgung hat das Klinikum rechts der Isar natürlich einen Riesenvorteil, denn eine Klinik wie die unsere bietet alle medizinischen Fachbereiche, einschließlich der Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie, Neurologie/Neurochirurgie, Kardiologie, Radiologie, HNO-Heilkunde sowie Orthopädie und Traumatologie. Auch die Logistik zwischen der Allianz Arena und dem Klinikum ist natürlich hervorragend. Mit unserem Präventionszentrum haben wir zudem eine direkte Anlaufstelle am Klinikum, wo wir eine internistische Basisdiagnostik bieten. Diese werden wir auch als offizielle UEFA-Ambulanz nutzen.
Sie haben also schon viel Erfahrung. Dennoch ist die Situation dieses Jahr eine ganz andere als beim Sommermärchen 2006. Mit welchen medizinischen Herausforderungen rechnen Sie?
Eine besondere Herausforderung werden die Themen Hygiene und Covid-19 sein. Dem CMO ist ja auch derjenige zugeordnet, der sich um genau diese Fragen kümmert. Mannschaften und Betreuer werden praktisch in einer „Bubble“, also einer Blase, leben – und das nicht nur in München, sondern während der ganzen Zeit der Europameisterschaft. Jeder, der Kontakt zu Spielern oder Betreuern bekommt, muss sich vorher testen lassen. Das ist schon ein riesiger Aufwand, aber sicherlich notwendig! Und dann ist da noch das Thema von Spielern oder Betreuern, die während der EM vielleicht positiv auf das neue Coronavirus getestet werden. Ich hoffe natürlich, dass das nicht vorkommt – sicher kann sich da allerdings keiner sein.
Auch in den Stadien werden die Spieler nicht mehr vor leeren Rängen auflaufen. Halten Sie rund 14000 Zuschauer*innen pro Spiel wie aktuell geplant in der derzeitigen Situation für vertretbar?
Da die Infektionszahlen aktuell so niedrig sind und ich damit rechne, dass sie noch weiter sinken werden, halte ich dieses Konzept für durchaus vertretbar. Es wird natürlich nicht die ausgelassene Stimmung im Stadion herrschen, wie man sie von Europameisterschaften kennt – und bestimmt ist es auch besser, wenn sich die Zuschauer dieses Jahr nicht in den Armen liegen. Eher kritisch könnte der Bereich außerhalb des Stadions werden, also zum Beispiel in der U-Bahn oder in anderen Transportmitteln, ebenso im VIP-Bereich, wo das Infektionsrisiko auch erhöht ist.
Unabhängig von Corona: Worauf kommt es beim gesunden Fußball-Genuss daheim an?
Man weiß, dass sich Aufregung und Stress negativ auf das Herz auswirken. Wer fitter ist, kann allerdings auch Stress besser abbauen und hat insgesamt eine bessere Herzgesundheit. Die beste Vorbereitung für die EM ist daher, selbst etwas für die eigene Fitness zu tun und zu trainieren – damit man bei Freud und Leid der deutschen Mannschaft den Stress besser bewältigt und selbst gesund durch das Turnier kommt.
Prof. Martin Halle hält sich mit Treppensteigen fit. Foto: Nicki Schäfer, Klinikum rechts der Isar